Versicherung Deutsche Kreditversicherer erwarten 2022 mehr Unternehmenspleiten

Die deutschen Kreditversicherer gehen davon aus, dass die Nachwirkungen der Coronapandemie noch lange zu spüren sein werden.
Frankfurt Die deutschen Kreditversicherer sehen die weitere wirtschaftliche Entwicklung durch zahlreiche Risiken bedroht. Daher rechnen sie damit, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland im kommenden Jahr erstmals seit 2009 wieder steigen wird. „Im besten Fall rechnen wir mit 15.500, im schlechtesten mit bis zu 17.000 Pleiten“, sagte Thomas Langen, Vorsitzender der Kommission Kreditversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Manager beim Kreditversicherer Atradius am Donnerstag.
Der unmittelbare Schock durch die Coronapandemie sei zwar überwunden, nicht jedoch die mittel- und langfristigen Folgen. „Aktuell verändern sich die Risiken ständig und verstärken sich gegenseitig: Neue Coronawellen, globale Lieferengpässe und steigende Preise treffen auf einen gleichzeitig hohen Veränderungs- und Innovationsdruck“, betont Langen.
Für 2022 erwarten die Kreditversicherer daher eine Trendwende bei den Unternehmenspleiten. Es dürfte nicht nur zu mehr, sondern auch zu größeren Insolvenzen mit höheren Schäden kommen. „Die Forderungen aus einer Insolvenz lagen im ersten Halbjahr 2021 bei über vier Millionen Euro – doppelt so hoch wie im Vorjahreszeitraum“, so Langen.
Die vergleichsweise geringe Zahl von 15.000 Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2021 spiegele die Herausforderungen der Wirtschaft nicht umfassend wider. Viele Unternehmen hätten von Staatshilfen profitiert. Daneben sei 2021 der rechtliche Rahmen für eine präventive Restrukturierung von Unternehmen geschaffen worden. Dadurch hätten manche Firmen ihre Insolvenz abwenden können, so Langen. Einige Betriebe hätten zudem ihre Geschäfte aufgegeben, ohne in die Insolvenzstatistik einzufließen.
Besondere Risiken sehen die Versicherer in der Autobranche
Für steigende Insolvenzen in der Zukunft spreche, dass aktuell wieder verstärkt Einschränkungen im öffentlichen Leben notwendig sind, um die Coronapandemie einzudämmen. Das dürfte die Gastronomie, die Reisebranche und den Handel erneut hart treffen.
Besondere Risiken sehen die Kreditversicherer für den Automobilbereich: Der anhaltende Mangel an Mikrochips führe bei Zulieferern zu Umsatzeinbußen in Milliardenhöhe. Zugleich erfordere die Transformation hin zur Elektromobilität hohe Investitionen.
Doch auch in vielen anderen Branchen gebe es aktuell eine Mangelwirtschaft, so Langen. Er beobachtet außerdem, dass die hohe Inflation die Unternehmen belaste – auch wenn viele Experten den Preisanstieg immer noch für vorübergehend halten.
In nahezu allen Branchen sei zudem die Gefahr durch Cyberkriminalität gestiegen. „Viele Unternehmen ignorieren noch immer die höheren Gefahren im Homeoffice“, moniert Langen. Bei einigen Unternehmen seien sicherlich schon Schäden eingetreten, die sie noch nicht aufgedeckt hätten.
Eine positive Bilanz ziehen die Versicherer für den Schutzschirm für die Lieferketten der deutschen Wirtschaft, der Mitte des Jahres ausgelaufen ist. Im Gegenzug für eine Garantie des Bundes hatten die Kreditversicherer ihre Deckungszusagen in Höhe von über 400 Milliarden Euro durchgehend aufrechterhalten – auch wenn die Risiken kurz nach Aufflammen der Coronapandemie deutlich gestiegen waren.
„Damit haben die Kreditversicherer einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise geleistet und das Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität gestärkt“, betont GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Warenkreditversicherungen nehmen zu
Die Kreditversicherer sehen es als richtigen Schritt, dass der Schutzschirm ausgelaufen ist und der Versicherungsschutz auf eine rein marktwirtschaftliche Basis zurückgekehrt ist. Aktuell sichern die Warenkreditversicherer Lieferantenkredite in Höhe von 458 Milliarden Euro. Das sind fünf Prozent mehr als im Vorjahr und rund 35 Milliarden Euro mehr als zu Beginn der Pandemie.
Die Beitragseinnahmen in den drei Sparten Warenkredit-, Kautions- und Vertrauensschadenversicherung liegen laut GDV-Hochrechnungen im Jahr 2021 bei gut 1,9 Milliarden Euro, die Leistungen bei 647 Millionen Euro. In der Warenkreditversicherung sind die Zahlen jedoch nur bedingt aussagekräftig. Solange der Schutzschirm lief, mussten die Versicherer 60 Prozent der Prämie an den Bund abgeben.
Mit den verbliebenen 40 Prozent mussten sie zehn Prozent der Schäden und ihre Kosten decken. Ein Gewinn sei den Kreditversicherern dabei nicht geblieben, sagt Langen. Ein Teil der Schäden werde sich zudem erst im Jahr 2022 zeigen. Zugleich sei es richtig gewesen, dass die Branche in der Krise an einer Lösung mitgearbeitet habe, um massive volkswirtschaftliche Schäden zu verhindern.
Eine Warenkreditversicherung schützt Lieferanten für den Fall, dass ein Abnehmer im In- oder Ausland die Rechnung nicht bezahlen kann oder will. Kommt es zu Zahlungsausfällen oder -verzögerungen, wird die Rechnung vom Kreditversicherer beglichen.
Nach GDV-Schätzungen decken die Kreditversicherer, zu denen unter anderem Atradius, Coface und die Allianz-Tochter Euler Hermes zählen, rund 15 Prozent der deutschen Ausfuhren und tragen damit wesentlich zur Sicherheit der deutschen Exportwirtschaft bei.
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