Kommentar Die Mobilität der Zukunft ist in Deutschland erschreckend rückwärtsgewandt

Die neuen Fortbewegungsmittel erobern keine Marktanteile. Das Duell um den Verkehrsraum bleibt damit ein altbekanntes.
Das Coronavirus ist ein biologisches Phänomen, das sich für die Vulnerabilität der Wirtschaft, der Menschen und ihrer Gewohnheiten nicht interessiert. Offenbar ist das etwas, was man nicht oft genug sagen kann. Der Herbst hat gerade erst begonnen, der Winter steht bevor, die Lage wird komplizierter. Die Zahl der Coronafälle steigt, und sie wird weiter steigen.
Damit droht ein Ende der langsamen Rückkehr zu bisherigen Reise- und Arbeitsgewohnheiten, es droht eine kollektive Immobilität. Das bedeutet: Homeoffice statt Büro, Videomeeting statt Dienstreise. Auch wenn das so mancher Unternehmer nicht wahrhaben will.
Vor allem Manager von Carsharing-, Ridehailing- und Mikromobilitätsanbietern werden in den kalten Monaten feststellen, dass Kunden ausbleiben. Und selbst wenn sich im Frühjahr Corona-Lage und Wetter wieder bessern: Viele Kunden werden nicht mehr zurückkehren.
Aktuelle Umfragen der Unternehmensberatung PwC und der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften (acatech) zeigen, dass der Markt für die neuen Mobilitätsanbieter mit ihren ausgefallenen technischen Lösungen in Deutschland sehr klein bleiben wird, auch nach Aufhebung der Corona-Beschränkungen.
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Die Mehrheit der Befragten gab an, vermehrt ihr eigenes Auto nutzen zu wollen, gefolgt vom eigenen Fahrrad – oder den eigenen Beinen. Ridehailing- und Carsharing-Dienste sowie Mikromobilitätsangebote werden gemieden. Die neuen Mobilitätsformen werden laut acatech nach wie vor nicht als vielversprechende Fortbewegungsmethode wahrgenommen. Die Mobilität der Zukunft ist hierzulande erschreckend rückwärtsgewandt.
Allein mit Radwegen in Städten ist es nicht getan
Uber, Share Now, Tier und Co. müssen sich von den Vor-Corona-Wachstumszielen verabschieden. Das heißt nicht, dass sie überflüssig sind, aber dass viele von ihnen überflüssig werden. Experten rechnen Anfang 2021 mit einer Konsolidierung der Mobilitätsbranche.
Und auch die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr sinken. Auf die Städte kommt deswegen eine besondere Herausforderung zu. Sie müssen die Interessen von Auto- und Radfahrern ausgleichen. Die gleichzeitige Zunahme dieser beiden Mobilitätsvarianten kann zu Konflikten führen, wenn die Verkehrsführung in den Innenstädten nicht geändert wird.
Doch wenn das bedeutet, den Autoverkehr aus ganzen Stadtteilen auszuschließen, so wie es zum Beispiel in Berlin derzeit passiert, dann machen es sich die Stadtplaner zu einfach. Denn bei aller Romantisierung des Radfahrens: Wenn im Winter die Temperaturen sinken, es regnet und schneit, werden viele Menschen garantiert nicht auf zwei, sondern mit vier Rädern unterwegs sein – und dann werden Straßen benötigt und keine Radwege.
Mehr: Die hohen Zahlen an Corona-Neuinfektionen bereiten der deutschen Wirtschaft Sorgen. Ökonomen halten auch die Industrieproduktion für anfällig.
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