Morning Briefing Musk versetzt Energiekonzerne in Hab-Acht-Modus
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
den Massenmarkt für Elektroautos hat Elon Musk mit der Marke Tesla überhaupt erst geschaffen. Den Markt für Satellitentransporte hat er mit seinen wiederverwendbaren Raketen revolutioniert.
Wenn sich der amerikanische Multi-Unternehmer mit ADHS-Verdachtsdiagnose nun den deutschen Strommarkt vorknöpft, können die Manager der hiesigen Energiekonzerne schon mal in den Hab-Acht-Modus umschalten.
In Bayern und Baden-Württemberg bietet Tesla bereits einen ersten Ökostromtarif an. In Branchenkreisen wird spätestens für Anfang 2022 mit einem bundesweiten Angebot gerechnet – und perspektivisch mit lukrativen Bündelprodukten aus Elektroauto, Stromspeicher und Stromvertrag, wie Handelsblatt-Energieexperte Jürgen Flauger recherchiert hat.
Sorgen macht den etablierten Energieversorgern vor allem die Software „Autobidder“. Mit der kann Musks Unternehmen die Stromspeicher seiner Kunden, die sogenannten Powerwalls, und sogar die Batterien von Tesla-Elektroautos vernetzen und darin überschüssigen grünen Strom speichern, wenn zum Beispiel der Wind stark weht. Später kann dieses virtuelle Kraftwerk die Energie wieder ins Netz einspeisen. „Was Tesla da vorhat, ist sehr spannend“, heißt es bei einem großen Energiekonzern.
Wie sähe wohl der Markt für Buntstifte aus, nachdem Elon Musk ihn disruptiert hat? Im Zweifel würden die Dinger fliegen und von selbst schreiben, aber nur, wenn man vorher all seine persönlichen Daten nach Kalifornien übermittelt hat. Und um die Farbe Karminrot freizuschalten, wäre ein On-Air-Update erforderlich.

Ganz beruhigend also, dass Musk das Bunt- und Bleistiftgeschäft bislang dem über 200 Jahre alten Familienunternehmen Faber-Castell überlässt. Dort haben sich die vier jungen Hauptgesellschafter der neunten Generation unter dem Kürzel „G9“ zusammengetan.
Möglichst schnell soll die schwierige erste Zeit nach dem Tod des Patriarchen Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell (1941-2016) achteraus bleiben. In dieser Phase zirkulierten Gerüchte über Machtkämpfe der verbliebenen zwei Familienstämme, angeblich forciert von Mary von Faber-Castell, der zweiten Ehefrau des verstorbenen Bleistift-Grafen. Mein Morning-Briefing-Kollege Hans-Jürgen Jakobs hat mit spitzer Mine ein Lehrstück schraffiert über den Stoff, der Dynastien zusammenhält.
„Man darf nicht vergessen, dass mehr als 50 Prozent der Vermögen in Deutschland durch Erbschaften entstanden sind – und nicht durch eigene Arbeit“, sagt Marcel Fratzscher, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, und untermauert damit im Handelsblatt-Streitgespräch seine Forderung nach einer Neuauflage der Vermögensteuer.
Sein Kontrahent, der Wettbewerbsökonom Justus Haucap, ist dagegen, weil der „Erhebungsaufwand“ im Verhältnis zum Ertrag zu groß sei. Aber ungeschoren will auch er die Reichen nicht davonkommen lassen: Er plädiert für eine neu gestaltete Erbschaftsteuer: „Wenn man sie über 30 Jahre abbezahlen könnte, hätte man ja auch eine Art Vermögensteuer.“
Tatsache ist: Die Zahl der Dollar-Millionäre in Deutschland hat sich seit 2010 fast verdreifacht – und mit ihr auch die Begehrlichkeit der Politik.
Linke, Grüne und SPD wollen Vermögende nach der Bundestagswahl stärker zur Kasse bitten. Und davon wird sie im Zweifel auch der Stoßseufzer eines jungen Erben nicht abbringen, der einst bekannte: Der ganze Reichtum sei durchaus hart erarbeitet, er habe dafür schließlich 30 Jahre lang nett zu seinem Vater sein müssen.
Und in Afghanistan? Da geht es für Tausende, die im oder um den Kabuler Flughafen ausharren, nach wie vor ums blanke Überleben. Am heutigen Dienstag wollen die G7-Staaten in einer Videokonferenz über eine gemeinsame Afghanistan-Strategie beraten.

Eine Option: US-Präsident Joe Biden könnte sich bereiterklären, die US-Truppen über das bisherige Abzugsdatum am 31. August hinaus im Land zu lassen, um die Evakuierungen am Kabuler Flughafen abzusichern. Doch die Taliban als neue Herren im Land haben bereits erklärt, dass damit eine „rote Linie“ überschritten würde. Bundesaußenminister Heiko Maas will nun prüfen, ob die Evakuierungsflüge auch ganz ohne militärische Beteiligung fortgesetzt werden könnten.
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Und dann ist da noch Asib Malekzada, Deutscher mit afghanischen Wurzeln, dem nach eigenen Angaben vor einigen Tagen nur dank seines SPD-Parteibuchs die Flucht aus Kabul gelang: Die Taliban hätten den roten Mitgliedsnachweis für einen Diplomatenpass gehalten und ihn und seine afghanische Verlobte zum Flughafen durchgelassen. Am Rande einer Diskussionsveranstaltung der „Bild“-Zeitung traf Malekzada nun mitsamt Parteibuch auf Olaf Scholz.
Ob der SPD-Kanzlerkandidat Malekzada bei dieser Gelegenheit gleich als Testimonial für die nächste Mitglieder-werben-Mitglieder-Kampagne der Sozialdemokraten verpflichtete, ist nicht überliefert.
Aber sicher ist: Ein stärkeres Argument für den Nutzen einer SPD-Mitgliedschaft kann derzeit niemand liefern.
Herzliche Grüße
Ihr
Christian Rickens
Textchef Handelsblatt
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