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Interview „Stärker auf Aktien setzen“ – Hier erklärt der FDP-Vize, wie das Rentenniveau steigen könnte

Am Donnerstag starten die Koalitionsverhandlungen. FDP-Vize Johannes Vogel spricht über die Aktienrente, neue Schulden – und noch offene Themen.
20.10.2021 - 16:21 Uhr Kommentieren
Der FDP-Vize Johannes Vogel sagt: „Jetzt haben wir die Chance, das gesetzliche Rentensystem auf zwei Standbeine zu stellen.“ Quelle: dpa
Johannes Vogel

Der FDP-Vize Johannes Vogel sagt: „Jetzt haben wir die Chance, das gesetzliche Rentensystem auf zwei Standbeine zu stellen.“

(Foto: dpa)

Berlin Vor den anstehenden Koalitionsverhandlungen für ein Ampelbündnis hat FDP-Vize Johannes Vogel die gemeinsamen Rentenpläne mit SPD und Grünen verteidigt. „Jetzt haben wir die Chance, das gesetzliche Rentensystem auf zwei Standbeine zu stellen, indem wir stärker auf Aktien setzen“, sagte Vogel im Gespräch mit dem Handelsblatt.

„Für SPD und Grüne war das, ähnlich wie unser Ja beim Mindestlohn, ein wirklich großer Schritt, das verdient Respekt.“ Die jetzt beginnende Legislaturperiode sei die letzte, bevor die Baby-Boomer anfangen, in Rente zu gehen. „Diese Zeit sollten wir nutzen“, sagte Vogel.

Das Sondierungspapier sieht ein stabiles Rentenniveau und -alter sowie den Einstieg in die Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente vor. Ökonomen wie Ifo-Chef Clemens Fuest hatten die Pläne scharf kritisiert. „Die Rentenreform wird schlicht vertagt“, sagte er.

Vogel wies darauf hin, dass noch viele Punkte in den am Donnerstag beginnenden Koalitionsverhandlungen konkretisiert werden müssten. „Ohne echte Strukturreform gibt es keine sichere Rente“, sagte er.

Aber der Liberale sei überzeugt, dass der Einstieg in die Kapitaldeckung ein wesentlicher Bestandteil sei. „Damit können wir sogar langfristig auf ein wieder steigendes Rentenniveau hoffen. Den konkreten Weg müssen wir aber in den Koalitionsverhandlungen besprechen.“

Das ganze Interview lesen Sie hier:

Herr Vogel, heute beginnen die Koalitionsverhandlungen. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die Gespräche?
Es gibt eine große Chance auf Modernisierung und diese Chance wollen wir ergreifen. Das Sondierungspapier enthält auch Entscheidungen, für die wir nicht geworben haben – und andersherum sind auch SPD und Grüne jeweils Schritte auf uns und die anderen zugegangen. Ziel dabei war, uns nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, sondern auf einen echten Aufbruch mit neuen Ideen. Denn nur wenn alle gemeinsam einen Schritt nach vorne machen, gelingt Fortschritt aus der Mitte heraus.

Auch bei der Rente? SPD und Grüne bekommen das stabile Rentenniveau und -alter, die FDP den Einstieg in die Kapitaldeckung in der gesetzlichen Säule. Das sieht doch sehr nach kleinstem gemeinsamem Nenner aus.
Nein, da unterschätzen Sie die Bedeutung eines Einstiegs in die Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente. Für SPD und Grüne war das, ähnlich wie unser Ja beim Mindestlohn, ein wirklich großer Schritt, das verdient Respekt. Jetzt haben wir die Chance, das gesetzliche Rentensystem auf zwei Standbeine zu stellen, indem wir stärker auf Aktien setzen. Die jetzt beginnende Legislaturperiode ist die letzte, bevor die Babyboomer anfangen, in Rente zu gehen. Diese Zeit sollten wir nutzen. Dass wir jetzt den Hebel umlegen, öffnet die Tür zu einer enkelfitten Rente – auch wenn das Konzept in den Koalitionsverhandlungen natürlich noch konkretisiert werden muss.

Gerade in diesem Punkt ist das Sondierungspapier sehr konkret. Zehn Milliarden Euro sollen in die Kapitaldeckung fließen. Was genau passiert mit dem Geld?
Die zehn Milliarden Euro in einem ersten Schritt im nächsten Jahr unterstreichen, dass wir es ernst meinen. Es geht darum, ähnlich wie beim Klimaschutz, umfassende Nachhaltigkeit zu schaffen und so die gesetzliche Rente langfristig zu stärken. So können wir Anliegen von SPD, Grünen und FDP in einem Projekt zusammenbringen.

Also ist die Rente wieder sicher?
Ohne echte Strukturreform gibt es jedenfalls keine sichere Rente. Das gelingt natürlich nicht mit einem Element alleine. Aber ich bin überzeugt, dass der Einstieg in die Kapitaldeckung ein wesentlicher Bestandteil ist. Damit können wir sogar langfristig auf ein wieder steigendes Rentenniveau hoffen. Den konkreten Weg müssen wir aber in den Koalitionsverhandlungen besprechen.

Ein Ergebnis der Sondierungen ist, dass das Rentenalter nicht über die 67 Jahre hinaus angehoben werden soll.
Ich bin wie vor der Wahl der Meinung, dass wir ein flexibles Renteneintrittsalter benötigen. Wer früher oder später in Rente gehen will, weil sein Lebenslauf das zulässt, sollte diese Möglichkeit einfacher als bisher erhalten. Das ist aber eine Frage von vielfältigen Lebensläufen, nicht der Finanzierung. Das Thema haben wir im Sondierungspapier aber noch gar nicht behandelt, es ist ja klar, dass ganz generell auch noch Themen zur Besprechung offen sind.

Eine zweite Herausforderung ist die Transformation der Industrie. Der SPD und den Gewerkschaften schwebten hier etwa ein Recht auf Weiterbildung oder ein Transformations-Kurzarbeitergeld vor. Warum findet sich davon nichts im Sondierungspapier?
Tut es ja, und zu Recht. Zwei Drittel der Beschäftigten nehmen heute ein ganzes Berufsleben nicht an Weiterbildungen teil, das kann so nicht bleiben. Nachdem die Möglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit bereits ausgeweitet wurden, fehlt es aber vor allem an Instrumenten, die am Individuum ansetzen. Deshalb wollen wir gemeinsam mit SPD und Grünen neue Instrumente wie ein „Lebenschancen-Bafög“ einführen, um Aus- und Weiterbildung oder Umorientierungen das ganze Leben zu unterstützen und diesen Möglichkeitsraum auch in mehr Köpfen zu öffnen.

Kommen wir zu den Finanzen. Werden sich die Ampelparteien erst die Haushaltsspielräume anschauen und dann entscheiden, was sie sich leisten können – oder alle Wünsche mit einem Preisschild versehen?
Kluge Politik denkt beides parallel. Auf jeden Fall müssen wir die großen Herausforderungen angehen: Digitalisierung, Klimaschutz, Demografie, Fachkräftesicherung, Förderung von Innovationen und Investitionen.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sieht durchaus noch Spielräume bei der Schuldenbremse.
Wir meinen ernst, was im Sondierungspapier steht: Wir werden nur im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse agieren.

Ist ohne neue Schulden denn überhaupt Spielraum für Investitionen da?
Es geht zum einen darum, die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu verbessern. Bei den staatlichen Investitionen ist ja oft gar nicht das Geld das Problem, sondern der Abfluss der Mittel. Deshalb steht im Sondierungspapier auch das Ziel, die Dauer von Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren mehr als zu halbieren.

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Klingt ambitioniert, zumal bei Planungsverfahren auch Länder und Kommunen mitreden. Und Sie werden Bürger vor den Kopf stoßen müssen, wenn man etwa an Einwände gegen den Bau von Windparks oder Stromtrassen denkt.
Das Vorhaben ist sehr ambitioniert und konkret, und die „Not in my backyard“-Problematik ist ja bekannt. Umso bedeutsamer ist es doch, dass sich drei unterschiedliche Parteien, die in unterschiedlichen Milieus und Gruppen wirken können, gemeinsam auf die Planungsbeschleunigung verständigt haben, um das Thema endlich anzugehen.

Sie wollen bei der Einwanderung einen Spurwechsel vom Asylsystem in die Erwerbsmigration ermöglichen. Das Thema könnte Ihnen angesichts der Zuspitzung der Flüchtlingssituation in Belarus schnell auf die Füße fallen.
Das Problem mit Belarus duldet keinen Aufschub, da muss deshalb die amtierende Bundesregierung schnell eine Lösung finden. Aber für uns gilt: Wenn sich jemand aus humanitären Gründen legal in Deutschland aufhält und Kriterien erfüllt, die wir bei Erwerbsmigranten anlegen, dann macht es doch keinen Sinn, ihn oder sie nach Hause zu schicken. Bei der arbeitsmarktbezogenen Einwanderung wollen wir vor allem generell gemeinsam einen großen Schritt gehen und endlich ein ergänzendes Punktesystem einführen.

Falls es mit der Ampel doch noch schiefgeht: Ist die Union noch ein ernsthafter Verhandlungspartner?
Wir haben in Sondierungen ausgelotet, was in der Ampel geht. Und wenn wir nun in Koalitionsverhandlungen einsteigen, dann auch mit dem Ziel, sie zum Erfolg zu führen.

Wann würden Sie denn aus den Verhandlungen aussteigen?
Dass die FDP nicht wegen der Posten in eine Koalition eintritt, sondern die Inhalte stimmen müssen, haben wir ja bewiesen. Aber jetzt wollen wir erfolgreiche Koalitionsverhandlungen führen.

Mehr: So steht es um den Bundeshaushalt wirklich – Und so viel Geld kann die nächste Koalition verteilen

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