Kampf um den Parteivorsitz „Drei respektable Kandidaten und eine Reserve in Bayern“ – Das sagt die Wirtschaft zur CDU-Führungsfrage
„Ich stehe für Aufbruch und Erneuerung der CDU“
Berlin Drei CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen trauen sich zu, ihre Partei aus der Krise führen: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der frühere Unionsfraktionsvorsitzende Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen. Alle drei haben nun offiziell erklärt, für den CDU-Vorsitz zu kandidieren. Laschet und Merz erklärten ihre Bewerbung am Dienstag nacheinander vor der Presse in Berlin. Röttgen hatte vergangene Woche als Erster seine Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt.
„Wir haben seit heute einen offenen Wettbewerb in der CDU“, sagte Merz. Das sei innerparteiliche Demokratie. Er vertrete eine andere Politik als Laschet, deshalb sei diese Entscheidung auch „eine Richtungsentscheidung für die CDU.“ Er selbst stehe für „Aufbruch und Erneuerung“, Laschet für „Kontinuität“.
Laschet bot sich als Versöhner für die Partei und für die Gesellschaft an. Er habe versucht, mehrere der Bewerber für den Chefposten einzubinden, betonte er. „Ich bedauere, dass nicht alle Kandidaten sich diesem Team-Gedanken anschließen konnten“, sagte er – offensichtlich ein Seitenhieb gegen Merz.
Gesundheitsminister Jens Spahn will im Einvernehmen mit Laschet Parteivize werden und kündigte seine Unterstützung für den NRW-Ministerpräsidenten an. Wer das Rennen macht, entscheiden die Delegierten am 25. April auf einem Sonderparteitag in Berlin.
In der Wirtschaft wird die Kandidatenkür aufmerksam verfolgt. „Ich denke, wir haben drei respektable Kandidaten und eine Reserve in Bayern“, sagte Jürgen Heraeus, Aufsichtsratschef des gleichnamigen Hanauer Milliarden-Konzerns, dem Handelsblatt.
Scharfe Kritik an Merkel Regierungspolitik
Heraeus‘ Anspielung auf Bayern zielt auf die noch unbeantwortete Frage der Unions-Kanzlerkandidatur ab. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder hatte wiederholt klar gemacht, dass er bei der Kanzlerkandidatur ein Wörtchen mitzureden gedenke.
Wohin die Reise mit der künftigen CDU-Führung seiner Ansicht nach gehen sollte, sagte Heraeus zwar nicht. Allerdings erklärte er kürzlich in einem Interview mit dem Handelsblatt, was aus seiner Sicht politisch schiefläuft. Ungewöhnlich offen sprach der Familienunternehmer über den „schlechten Zustand“, in dem sich Deutschland befinde. Es herrsche „eine große Apathie. Nichts geht voran außer der Bürokratie“, sagte er.
Er sehe das Land „verkommen zu einer Republik von Planfeststellungsverfahren, in dem jede abwegige Meinung und jedes Partikularinteresse berücksichtigt werden muss“, so der Heraeus weiter. Sein scharfes Urteil trifft auch die Spitzen der Bundespolitik samt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Frau Merkel bewegt nichts mehr in Deutschland“, sagte der Unternehmer.
Ein ähnlich hartes Urteil hatte im vergangenen Jahr vor dem Hintergrund der CDU-Verluste bei der Landtagswahl in Thüringen auch Friedrich Merz gefällt. Die „Untätigkeit und die mangelnde Führung“ durch Merkel habe sich seit Jahren wie ein Nebelteppich über das Land gelegt, sagte er im ZDF. Das Erscheinungsbild der Bundesregierung sei „grottenschlecht“.
Vom Ex-Wirtschaftsführer Hans Peter Stihl erhielt Merz dafür volle Rückendeckung. Der 87 Jahre alte Familienunternehmer sagte seinerzeit, wenn Merz mit seiner Kritik auch auf die Wirtschaftspolitik der CDU angespielt habe, habe er nicht Unrecht. „Die CDU hat dringenden Nachholbedarf in Bezug auf marktwirtschaftliche Wirtschafts- und Steuerpolitik. Wenn die Partei diesen Nachholbedarf nicht erkennt, dann wird sie bei der nächsten Bundestagswahl eine weitere schwere Niederlage einfahren.“
Europapark-Chef setzt auf Friedrich Merz
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Merz für seine CDU-Kandidatur auf Unterstützung aus dem Unternehmerlager setzen kann. So hofft etwa Roland Mack, Chef und Gesellschafter des Europaparks in Rust, dass der frühere Unionsfraktionsvorsitzende das Rennen um den CDU-Vorsitz macht.
„Für uns als mittelständisches Familienunternehmen setze ich die größten Hoffnungen auf Friedrich Merz“, sagte Mack dem Handelsblatt. „Er kann in meinen Augen am besten eine klare zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik mit den Herausforderungen beispielsweise beim Klimaschutz in Einklang bringen.“ Bei den elementar wichtigen Umwelt- und Klimafragen, sei ein „besonnenes Handeln“ wichtig. „Wir sollten dazu mehr Innovationen fördern und von einer Verbotspolitik wegkommen“, so Mack.
Er erwarte von einer Persönlichkeit wie Friedrich Merz auch einen „Schub der dringend benötigten Infrastrukturmaßnahmen und den Abbau von Infrastrukturbremsen“, sagte der Unternehmer weiter. Wichtig sei überdies eine „berechenbare Politik, die uns die verlässlichen Rahmenbedingungen etwa bei Steuerfragen schafft.“ Daneben sei zudem eine „klare pro-europäische Positionierung“ notwendig. „Übrigens traue ich solch eine starke Position auch einem Markus Söder zu“, fügte Mack hinzu.
Auch Martin Herrenknecht, Chef des gleichnamigen Tunnelbauunternehmens, spricht sich für Merz aus – sowohl für den CDU-Parteivorsitz als auch als CDU-Kanzlerkandidat für die nächste Bundestagswahl aus. „Friedrich Merz verfügt über hohe Kompetenz in der Wirtschaftspolitik und versteht deren Stellenwert für das Wohl des Landes“, sagte Herrenknecht dem Handelsblatt. „Er ist international sehr erfahren und wird für eine moderne und aktive Agenda 2030 einstehen, um Deutschland endlich wieder in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur zukunftsgerichtet nach vorne zu bringen und im internationalen Wettbewerb stärker zu positionieren.“
Der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg, vermied es, sich auf eine Person festzulegen. Er stellte die Themen in den Vordergrund, die der neue CDU-Chef aus seiner Sicht anpacken müsste. „Der künftige CDU-Vorsitzende sollte fünf Themen in den Mittelpunkt stellen: Wirtschaft, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Bildung und sozialer Zusammenhalt“, sagte Berg dem Handelsblatt. „Es braucht eine Führungspersönlichkeit, die versteht, welche Bedeutung die digitale Transformation gleichermaßen für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit, wie für die Zusammenführung von wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen haben kann – und diese Aufgabe engagiert und mit hoher Priorität angeht.“
Deutliche Abgrenzung von extremistischen Tendenzen gefordert
Dabei müsse das Thema Bildung nach Ansicht von Berg „einen deutlich höheren Stellenwert als bislang einnehmen, um Problemen wie zunehmendem Fachkräftemangel, hohen Schulabbrecherquoten und Unterrichtsausfall entschieden zu begegnen“. Gesellschaftspolitisch kommt auf den neuen CDU-Vorsitzenden aus Sicht Bergs die Aufgabe zu, zu einigen und zu integrieren, wo aktuell Spaltung herrsche. „Die CDU muss sich deutlich von extremistischen Tendenzen abgrenzen und für eine offene Gesellschaft und gleichermaßen nachhaltige wie soziale Marktwirtschaft eintreten“, sagte der Bitkom-Präsident.
Der Präsident des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW), Matthias Wahl, erwartet vom künftigen Vorsitzenden der CDU eine stärkere Fokussierung auf Digitalisierungsthemen. Insbesondere in den Digitalisierungsbereichen habe Deutschland „massiven Nachholbedarf“, sagte Wahl dem Handelsblatt. „Hier werden alle Kandidaten auf den Parteivorsitz potenziell in der Lage sein, wichtige Impulse zu setzen, um endlich Bewegung in existenzielle Bereiche wie Breitbandinfrastrukturausbau oder Datenpolitik zu bringen.“
Nachdem die Bundesregierung dem Breitbandausbau „nie den nötigen Stellenwert eingeräumt“ habe, habe Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Anschluss an die europäische Spitze aus den Augen verloren – und das als wichtigster Industriestandort Europas.
Das Problem seien nicht etwa fehlende finanzielle Mittel, sondern eine falsch politische Priorisierung. „Wir gehen fest davon aus, dass der Ernst der Lage allen potenziellen Vorsitzenden absolut präsent sein dürfte und sind vorsichtig optimistisch, dass wir bei diesem für unser Land so wichtigen Thema vor einem Kurswechsel stehen“, sagte Wahl weiter.
Mehr: Lesen Sie, warum mit Merz oder Laschet die Wirtschaft wieder ins Zentrum der Politik rückt.
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