Klimaschutz Der Bund kauft künftig klimaneutral – und führt eine rote Liste ein

Bestimmte Dämmstoffe landen auf einer „Negativliste“, damit werden sie vom Bund nicht mehr beschafft.
Berlin Der Bund will bei der Beschaffung mit gutem Beispiel vorangehen und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge den Aspekt der Klimaneutralität in den Mittelpunkt stellen. Die entsprechende Verwaltungsvorschrift aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die dem Handelsblatt vorliegt, will das Bundeskabinett am Mittwoch beschließen.
Die öffentliche Hand hat mit ihren Beschaffungen erheblichen Einfluss auf Lieferanten quer durch alle Branchen – vom Baukonzern bis zum Papierwarenhändler. Die Industriestaaten-Organisation (OECD) geht von einem jährlichen Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand in Deutschland von 500 Milliarden Euro aus, das entspricht in etwa 15 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Laut OECD entfallen zwar 80 Prozent des Beschaffungsvolumens auf Kommunen und Länder. Der Bund ist dennoch einer der großen Auftraggeber in Deutschland – und sieht sich gerade mit Blick auf den Klimaschutz in einer Vorbildfunktion.
Wer mit dem Bund ins Geschäft kommen will, muss bereits heute bestimmte Klimaschutzanforderungen erfüllen: Seit 2008 definiert die „Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Leistungen“ bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestimmte Anforderungen an die Energieeffizienz.
So ist beispielsweise schon jetzt „grundsätzlich die höchste verfügbare Effizienzklasse“ im Sinne der Energieverbrauchskennzeichnung als Bedingung vorgegeben. Die Vorgaben werden mit der neuen „Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen“ verschärft und erweitert.
Bestimmte Dämmstoffe und Einweggeschirr landen auf der Negativliste
Die Verwaltungsvorschrift folgt dem 2019 beschlossenen und vor wenigen Wochen verschärften Klimaschutzgesetz. In Paragraf 13 des Klimaschutzgesetzes heißt es, der Bund prüfe „bei der Planung, Auswahl und Durchführung von Investitionen und bei der Beschaffung, wie damit jeweils zum Erreichen der Klimaschutzziele beigetragen“ werden könne. Ziel des Bundes ist es gemäß Klimaschutzgesetz, „bis zum Jahr 2030 klimaneutral“ zu werden. Fürs gesamte Land wird Klimaneutralität erst 2045 angestrebt.
Um die neuen Vorgaben für die Praxis anwendbar zu machen, enthält die Verwaltungsvorschrift eine „Negativliste“ von Leistungen, die künftig gar nicht mehr beschafft werden dürfen. Auf der Liste finden sich Baustoffe, die bestimmte Fluorchlorkohlenwasserstoffe enthalten. Dabei handelt sich etwa um Dämmstoffe.

Einwegbesteck aus Kunststoff steht ebenfalls auf der Liste.
Ebenfalls auf der Liste zu finden sind bestimmte Klimageräte, Kühlschränke und Gefriergeräte mit halogenierten Kältemitteln, Gas-Heizpilze und Elektrostrahler zur Beheizung außerhalb geschlossener Räume, Getränke in Einwegverpackungen, Einweggeschirr und Einwegbesteck in Kantinen und Mensen sowie bei Großveranstaltungen.
Boston Consulting Group wünscht sich mehr Einsatz
Da die klimafreundlicheren Lösungen oftmals teurer sind als konventionelle Angebote, rechnet der Bund mit Mehrkosten, die auf etwa „200 bis 300 Millionen Euro pro Jahr“ beziffert werden.
Zwar bringt die neue Verwaltungsvorschrift den Bund auf seinem Weg zur Klimaneutralität ein Stück voran. Nach Auffassung der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) sollte aber mehr geschehen.
BCG verweist auf Zahlen des Bundesumweltministeriums. Nach Angaben des Ministeriums verursachten allein die Gebäude und Dienstreisen der Bundesverwaltung im Jahr 2020 rund zwei bis drei Millionen Tonnen Treibhausgase – Emissionen durch Arbeitswege, Geräte, Veranstaltungen oder Kantinen ausgenommen. Die von der Bundesverwaltung verursachten Emissionen pro Jahr entsprechen somit mindestens rund 0,4 Prozent der gesamten, jährlich emittierten Treibhausgase in Deutschland.
Diese Zahl sei „klimapolitisch nicht mehr tragfähig“, heißt es in einer BCG-Analyse, die dem Handelsblatt vorliegt. Die BCG-Experten vertreten die Auffassung, das Ziel einer klimaneutralen Bundesverwaltung bis 2030 sei nicht ausreichend. Klimaneutralität könne nur ein Zwischenziel sein. Sie empfehlen, stattdessen „Netto-Null“ zum neuen Standard zu erheben. Das würde bedeuten, dass Kompensationsmaßnahmen ausgeschlossen wären.
In der BCG-Analyse heißt es: „Nur wenn sich alle Bundesministerien und -behörden mit großer Entschlossenheit und Geschlossenheit an der zügigen Umsetzung des im Klimaschutzgesetz festgelegten Zielbildes operativ beteiligen, kann eine klimaneutrale Bundesverwaltung bis 2030 gelingen.“
Klarere Reglungen im Klimaschutzgesetz
Überdies bedürfe es „einheitlicher, verbindlicher und nachhaltbarer Reduktionsziele und Vorgaben für alle in den Verantwortungsbereich des Bundes fallenden Organisationen“, schreiben die BCG-Experten.
Sie kritisieren, der einschlägige Paragraf 15 des Klimaschutzgesetzes lege für unter Bundesaufsicht stehende Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, für Sondervermögen des Bundes sowie für juristische Personen des Privatrechts, die dem Bund ganz oder zum Teil gehören, keine verbindlichen Ziele fest. Es werde vielmehr lediglich ein „Hinwirken“ auf eine klimaneutrale Organisation der „Verwaltungstätigkeit“ verlangt.
„An dieser Stelle wird ein großer Interpretationsspielraum eingeräumt – was impliziert der Begriff des ,Hinwirkens‘ genau?“, heißt es in der BCG-Analyse. „Auch alle mittelbaren Behörden, Bundesunternehmen oder Unternehmen mit Bundesbeteiligung sind dem hauptsächlichen Verantwortungsbereich der Bundesregierung zuzurechnen. Dies sollte im Klimaschutzgesetz unmissverständlich festgelegt werden“, fordert BCG.
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