Luftfahrt Kapitalerhöhung zieht sich: Lufthansa bremst Erwartungen

Die Zahl der beförderten Fluggäste blieb mit gut zehn Millionen deutlich unter dem Vorjahreswert (minus 57 Prozent).
Frankfurt Die Kapitalerhöhung von Lufthansa, mit der die Airline-Gruppe die Staatshilfe zurückzahlen will, könnte sich verzögern. Konzernchef Carsten Spohr bremste am Donnerstag selbst geschürte Erwartungen, dass die Transaktion noch vor der Bundestagswahl im September stattfinden soll. „Ich habe ja gesagt, dass wir die Staatshilfe möglichst vor der Wahl zurückzahlen wollen. Das Wort möglichst stand nicht ohne Grund in dem Satz“, sagte der oberste Lufthanseat.
Lufthansa legte am Donnerstag Halbjahreszahlen vor. Die Investoren hatten weitere Details zur geplanten Kapitalmaßnahme erwartet. Doch die Lufthansa-Spitze musste Analysten bei der Frage nach dem Zeitpunkt vertrösten. „Das hängt von der Situation an den Finanzmärkten und den Gesprächen mit der Bundesregierung ab, die sehr konstruktiv verlaufen“, sagte Spohr. So eine Kapitalmaßnahme sei wie eine Übernahme. Da sei es gut, erst über die Details zu sprechen, wenn der Deal stehe.
Aus Finanzkreisen ist zu hören, dass sich viele Investoren bisher zurückhaltend zu den Plänen der „Hansa“ geäußert haben. Sie wollten mehr Belege, dass die Restrukturierung funktioniere, heißt es. Dazu passen Äußerungen von Finanzvorstand Remco Steenbergen, dass die Kapitalerhöhung kleiner ausfallen könnte als zuletzt kolportiert. Die in den Medien genannten Zahlen von drei bis vier Milliarden Euro seien zu hoch.
Umso mehr nutzten Spohr und Steenbergen die aktuellen Zahlen dazu, mit Verweis auf den radikalen Umbau der Gruppe um das Vertrauen der Investoren zu werben. Die einzigartige Krise sei auch eine einzigartige Chance, die Transformation der Lufthansa zu beschleunigen, um die globale Führungsrolle zu festigen, betonte Spohr. Die Lage von Europas größter Airline-Gruppe hat sich im ersten Halbjahr leicht verbessert. Zwar bleibt Lufthansa in den roten Zahlen. Aber der operative Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) verbesserte sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 39 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro.
Ticketnachfrage steigt weiter – trotz der Deltavariante
Die in den zurückliegenden Wochen wieder gestiegene Nachfrage nach Tickets macht sich in Kombination mit Kosteneinsparungen in der Bilanz bemerkbar. So konnte der Konzern im zweiten Quartal aus dem operativen Geschäft wieder einen positiven Cashflow (Mittelzufluss) von 0,8 Milliarden Euro erzielen – eine Verbesserung gegenüber dem Vergleichsquartal 2020 um immerhin 1,8 Milliarden Euro. Der Umsatz stieg um 70 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro.
Gleichwohl blieb die Zahl der beförderten Fluggäste mit gut zehn Millionen deutlich unter dem Vorjahreswert (minus 57 Prozent). Die Buchungen würden weiter anziehen, wenn auch nicht mehr so stark wie zu Beginn des Sommers, sagte Spohr. Das hänge zum Teil auch mit der Unsicherheit wegen der Deltavariante zusammen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Lufthansa langsamer erholt als die Konkurrenz. Das zeigt der Vergleich mit den Daten der zwei anderen großen Airline-Gruppen in Europa. Zwar schnitt der britisch-spanische Rivale IAG, der den Frankfurtern gern als Vorbild für eine effektiv geführte Airline-Gruppe vorgehalten wird, mit einem Umsatzminus im ersten Halbjahr von 58,2 Prozent schlechter ab als die „Hansa“. Auch bei der Passagierzahl ist das Minus mit gut 60 Prozent höher. IAG litt extrem unter den erratischen Reisebeschränkungen der britischen Regierung.
Doch der bisher Schwächste im Trio der europäischen Netzwerk-Airlines, die Air France-KLM, hat Lufthansa bei der Erholung vorübergehend überholt. Die französisch-niederländische Gruppe beförderte im ersten Halbjahr gut zehn Millionen Fluggäste, nur rund 39 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Das Minus beim Umsatz fiel mit 21 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro ebenfalls niedriger aus als bei der IAG und der Lufthansa.
Ein Grund: Die Netzwerk-Airlines der Lufthansa mit den Premiummarken Lufthansa, Swiss, Austrian und Brussels leiden mit ihren Langstreckenverkehren weiter stark unter den Folgen der Pandemie. In Summe blieb deren bereinigtes Ergebnis (Ebit) mit minus 2,45 Milliarden Euro nahezu auf dem Vorjahreswert. Dagegen konnte der Billiganbieter Eurowings seinen operativen Verlust von 358 auf 252 Millionen Euro deutlich verbessern.
Lufthansa erholt sich etwas von der Corona-Krise
Das liegt an den unterschiedlichen Lockerungen bei der Coronapandemie: Während in Europa – dem Kernmarkt von Eurowings – viele Grenzen wieder offen sind, gibt es beim Transatlantikverkehr weiter Behinderungen. Die US-Regierung hat vor wenigen Tagen das Einreiseverbot für EU-Bürger auf unbestimmte Zeit verlängert und überlegt derzeit, in Zukunft nur noch komplett geimpfte Personen ins Land zu lassen.
Gleichwohl zeigte sich Spohr zuversichtlich, dass die US-Öffnung noch im September kommen wird: „Die US-Regierung hat eine sehr professionelle Kommunikation. Die Überlegungen, Geimpfte ins Land zu lassen, war ein klares Signal.“ Da Einreisen aus den USA in Europa schon möglich seien, sei der Transatlantikverkehr schon jetzt einer der Treiber der Erholung und zudem profitabel.
Zudem profitiert der Lufthansa-Konzern von seiner breiten Aufstellung. Alle Töchter jenseits des Passagiergeschäfts haben im ersten Halbjahr positiv abgeschlossen. Den kräftigsten Zuwachs gab es bei dem Luftfrachtspezialisten LH Cargo. Das bereinigte Ergebnis (Ebit) stieg von 277 auf 640 Millionen Euro. Die Wartungstochter LH Technik konnte einen Verlust von 122 Millionen Euro in ein operatives Plus von 102 Millionen Euro drehen. Das Wartungsgeschäft läuft wieder besser, am Mittwoch hat sich das Unternehmen zum Beispiel die Wartung der gesamten A380-Flotte von British Airways gesichert.

Der Konzernchef sieht in der Krise auch die Chance, Lufthansa neu auszurichten.
Der Konzern komme auf dem Weg zu seinem Ziel, bis 2024 mehr als 3,5 Milliarden Euro an Kosten einzusparen, schneller, als bislang geplant, voran, sagte Spohr. Für mehr als die Hälfte der Kostensenkungen seien die Maßnahmen bereits umgesetzt. Dazu zählen auch die Freiwilligenprogramme. 30.000 Mitarbeiter haben die Gruppe bereits verlassen. In Deutschland müssen allerdings noch 5000 Stellen rechnerisch abgebaut werden. Spohr zeigte sich zuversichtlich, dass das über Teilzeitmodelle und Arbeitszeitkonten gelingen wird.
Die Gruppe verfügte per Ende Juni über liquide Mittel von 11,1 Milliarden Euro – inklusive der bisher noch nicht abgerufenen Mittel der Staatshilfe in Höhe von 3,9 Milliarden Euro. Nicht eingerechnet ist dagegen der Erlös einer kürzlich begebenen Anleihe im Volumen von einer Milliarde Euro. Für das gesamte Jahr erwartet das Management wie schon bisher einen Anstieg des Umsatzes, der bereinigte operative Verlust (Ebit) soll weiter sinken.
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