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Blockbuster in Florenz Ausstellung im Palazzo Strozzi: Jeff Koons’ Ode an die Schönheit

Der amerikanische Künstler hält Hof in Florenz und richtet in einem der prachtvollsten Renaissancepaläste eine große Schau mit seinem Werk der letzten 40 Jahre ein.
07.10.2021 - 17:54 Uhr Kommentieren
Jeff Koons spiegelblank polierte Skulptur „Balloon Monkey (Blue)“ von 2006/2013 erscheint wie geschaffen für den riesigen Renaissance-Palast. Quelle:  Private collection; Jeff Koons
Auftritt im Palazzo Strozzi

Jeff Koons spiegelblank polierte Skulptur „Balloon Monkey (Blue)“ von 2006/2013 erscheint wie geschaffen für den riesigen Renaissance-Palast.

(Foto:  Private collection; Jeff Koons)

Florenz Um Jeff Koons herum bricht Chaos aus. Er sitzt auf seinem Stapelstuhl auf der Bühne und lächelt ins Publikum. Das besteht aus rund 200 Journalisten und Granden der regionalen Kulturszene. Sie haben sich im opulenten Saal des alten Kinopalasts Odeon in Florenz versammelt, um einem Gespräch zwischen dem Künstler, dem Kurator Joachim Pissarro und dem Direktor des Palazzo Strozzi, Arturo Galansino, zu lauschen.

Doch stattdessen dröhnen aus den Lautsprechern Vortragsfragmente eines Vorredners und die hektischen Diskussionen zwischen Tontechnikern. Bis schließlich Galansino über die Brüstung der Loge mit der Technik hechtet und dem Spuk ein Ende bereitet. Spontaneità und Grandezza. Applaus.

Die Szene entspricht wahrscheinlich nicht ganz dem, was Jeff Koons sich unter Schönheit vorstellt. Schließlich ist der Künstler bekannt dafür, dass er nichts dem Zufall überlässt. Es kommt wahrlich nicht von ungefähr, dass Italien der Schauplatz für seine retrospektiv angelegte Ausstellung „Shine“ ist, in der Arbeiten von den 1970er-Jahren bis zu aktuellen Werken zu sehen sind. Schließlich hat der Amerikaner aus seiner Begeisterung für Italien, die Antike und die Renaissance nie einen Hehl gemacht.

Der Palazzo Strozzi, ein stattlicher Palast in reinstem Renaissance-Stil, bildet den idealen Rahmen für die teilweise monumentalen Skulpturen und Installationen des Meisters der schönen Oberfläche. Seit 2006 beherbergt er das Centro di cultura contemporanea Strozzina, ein Ausstellungshaus, das als Stiftung in Public Private Partnership geführt wird. Es besitzt keine eigene Sammlung, funktioniert also wie eine Kunsthalle.

Das Gebäude ist eine prachtvolle Hülle, ein antiker und daher nicht ganz einfach zu bespielender „White Cube“, den der Kurator Pissarro und der Künstler Koons mit seinen Werken virtuos zu befüllen wissen.

Der ins Monumentale vergrößerte Blumentopf hat die Form eines Vögelchens. Auf dem Rücken trägt die überdimensionale Figur ein gigantisches Bukett frischer Blumen, das genauestens komponiert wurde. Quelle: Jeff Koons; Foto: 2017 Fredrik Nilsen, Courtesy Gagosian
Jeff Koons „Bluebird Planter“

Der ins Monumentale vergrößerte Blumentopf hat die Form eines Vögelchens. Auf dem Rücken trägt die überdimensionale Figur ein gigantisches Bukett frischer Blumen, das genauestens komponiert wurde.

(Foto: Jeff Koons; Foto: 2017 Fredrik Nilsen, Courtesy Gagosian)

Die Ausstellung begrüßt den Besucher mit dem „Bluebird Planter“, einem ins Monumentale vergrößerten Blumentopf in Form eines Vögelchens, wie sie aus Plastik in kitschigsten Farbverläufen für kleines Geld in Ramschläden verkauft werden – nur eben in der Größe einer Garage. Der Clou: Der Vogel trägt auf dem Rücken ein gigantisches Bukett frischer Blumen, das genauestens komponiert wurde.

Am deutlichsten wird Koons“ Spiel mit der Illusion perfekter Oberflächen und kunsthistorischen Verweisen an seinem gar nicht einmal so bekannten „Dolphin“, einer Installation in der Duchamp’schen Tradition des Readymade. An einer quietschgelben Kette hängt von der Decke eine Installation aus Gegenständen, die augenscheinlich nichts miteinander zu tun haben: ein Delfin in Gestalt eines scheinbar aufgeblasenen Wasserspielzeugs und darunter eine Hängekonstruktion mit Töpfen und Pfannen aus Edelstahl, wie man sie aus gut sortierten Küchen kennt.

Die Kochutensilien sind das, was sie scheinen, der Delfin nicht. Seine vermeintlich aufgeblasene Figur ist aus Stahl und Aluminium gegossen, das Oberflächenfinish jedoch so perfekt gearbeitet, dass man sich auf die Versicherungen des Künstlers und des Kurators verlassen muss, um es zu glauben. Sogar das Aufblasventil sieht täuschend echt aus.

Dabei widerspricht der Künstler im Gespräch nachdrücklich der allgemeinen Wahrnehmung: „Perfektion – ich glaube nicht an Perfektion, ich bin kein Perfektionist. Ich glaube, Perfektionismus ist wie ein Hund, der seinen Schwanz jagt. Es ist ein Fetischismus, der nirgendwo hinführt. Aber ich glaube an Kommunikation, Respekt und Vertrauen.“

Die scheinbar aufgeblasene Figur ist tatsächlich aus Stahl und Aluminium gegossen, das Oberflächenfinish jedoch so perfekt gearbeitet, dass man sich auf die Versicherungen des Künstlers und des Kurators verlassen muss, um es zu glauben. Rechts: die polychromierte Bronze- und Messingskulptur
Jeff Koons „Dolphin“

Die scheinbar aufgeblasene Figur ist tatsächlich aus Stahl und Aluminium gegossen, das Oberflächenfinish jedoch so perfekt gearbeitet, dass man sich auf die Versicherungen des Künstlers und des Kurators verlassen muss, um es zu glauben. Rechts: die polychromierte Bronze- und Messingskulptur "Hulk (Tubas)" von 2004/2018.

(Foto: Jeff Koons; Courtesy Sonnabend Gallery für "Dolphin")

Das wiederum glaubt man Koons sofort. In der persönlichen Begegnung wirkt er aufmerksam und fokussiert. Er geht auf seine Gesprächspartner ein. Im Interview beantwortet er alle Fragen nach nur sehr kurzer Überlegung fast druckreif. Seine Gestik ist sparsam, aber gezielt gesetzt; er scheint nicht ein einziges Mal zu blinzeln. Selbst bei Fragen nach dem Markt – die er bekanntlich nicht gern beantwortet – zögert er nur kurz.

Mit „Shine“ ist dem Palazzo Strozzi ein Coup gelungen. Nicht der erste übrigens. Marina Abramovic, Ai Weiwei, Tomás Saraceno oder Bill Viola hatten ihre ersten, größten und teilweise auch erfolgreichsten Ausstellungen des Landes jeweils hier. Viel kleiner geht es wahrscheinlich auch nicht in einer Stadt, die wie keine andere auf der Welt mit der Renaissance und ihren großen Meistern in Verbindung gebracht wird.

Arturo Galansino ist seit 2015 Generaldirektor des Palazzo Strozzi. Er weiß, was von seiner Institution erwartet wird, betont jedoch gleichzeitig, dass es ihm zunächst um Inhalte geht: „Wir machen keine Blockbuster. Wir machen Ausstellungen, die dann am Ende supererfolgreich sind, aber sie beginnen immer als ein sehr gewagtes, sehr mutiges Projekt.“

Als Kunsthalle ohne eigene Sammlung muss man schon besonders engagiert sein und über ein exzellentes Netzwerk verfügen. Das scheint der Fall zu sein. Denn der Palazzo Strozzi hat nach Angaben seines Generaldirektors noch nie für Leihgaben bezahlt. Das ist im internationalen Ausstellungsgeschäft mittlerweile üblich, wenn man nichts zum Tauschen anzubieten hat.

Das nächste Großprojekt werde auch in Berlin und London zu sehen sein, erklärt Galansino: „Für die Donatello-Ausstellung im nächsten Frühjahr arbeiten wir außer mit dem Bargello hier in Florenz mit dem Bode-Museum und dem Victoria & Albert Museum zusammen. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, weil wir eine treibende Kraft sind, wenn es um Projektideen geht.“

Mehr: Jeff Koons: „Meine Motivation ist die Kraft der Kunst“

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