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BuchbesprechungVom märchenhaften Aufstieg des Kunsthändlers Julius Böhler

Julius Böhler war um 1900 einer der potentesten Kunsthändler Deutschlands. Tiefe Einblicke in Geschäfte, Netzwerk und Kundschaft des Selfmade-Manns gibt ein Report von Richard Winkler.Sabine Spindler 08.08.2024 - 12:03 Uhr Artikel anhören
Böhlers Geschäftsräume: Die gleichzeitige Präsentation von Gemälden, Skulpturen und Möbeln hatte der Händler den führenden Museen abgeschaut. Foto: Bayerisches Wirtschaftsarchiv

München. Nur ein paar Namen seiner Kunden verraten bereits den Stellenwert der 1880 gegründeten Kunsthandlung Böhler. Industrielle wie Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Edmond de Rothschild, der Baumwollwaren-Grossist James Simon oder der Niederländer Anton Philips, Teilhaber des gleichnamigen Elektrounternehmens, hinterließen hier ein paar Jahre später sechsstellige Summen. Denn Julius Böhler (1860–1934) kannte die Begehrlichkeiten der reichen Sammler und Geldbarone nur zu gut. Sie wollten Statussymbole.

Damals waren das Gemälde von Rembrandt, Botticelli oder Anthonis van Dyck, aber auch Aquamanile, also mittelalterliche Bronzekannen in Tiergestalt, und historische Waffen. In München konnte der clevere Aufsteiger mit allem aufwarten. Als Kunsthändler hatte Böhler Talent und Energie, die besten Kunstwerke aufzutreiben. Er war aber auch ein strategischer Unternehmer und internationaler Netzwerker. Seine Geschäftsbücher, die im bayerischen Wirtschaftsarchiv verwahrt werden, hat der dortige Leiter Richard Winkler nun in der Publikation „Vom Hausierer zum Multimillionär“ ausgewertet.

Es ist bewusst keine Biografie geworden, sondern ein Report über die florierenden Geschäfte eines der bedeutendsten deutschen Kunsthändler um 1900. Seine Transaktionen, ihre Einkaufs- und Verkaufspreise, verdeutlichen, dass schon damals im Topbereich mit atemberaubenden Preisen und Renditen operiert wurde. Ein Beispiel nur: Von der Stadt Colmar erwarb Böhler 1917 für 400.000 Mark ein Damenporträt von Rembrandt. Fünf Monate später verkaufte er es für 1,2 Millionen Mark an den schwedischen Sammler Klas Fähraeus.

Richard Winkler: Vom Hausierer zum Multimillionär
Die glänzenden Geschäfte des Münchner Kunsthändlers Julius Böhler 1882 – 1918.
Volk,
2024,
208 Seiten,
25 Euro.

Für Böhler war es das teuerste Gemälde, das er je verkauft hat. Aufschlussreich ist zudem der Anhang in der Neuerscheinung. Tabellen mit den Stammsammlern und ihren Investitionshöhen oder Böhlers Geschäftsentwicklung lassen tief blicken. Das kaufmännische Erfolgsrezept von Julius Böhler hat bis heute Gültigkeit: Er investierte in kunsthistorisch bedeutsame Kunstobjekte, die äußerst gefragt waren und große Gewinne versprachen.

Um die erforderlichen Einkaufssummen aufzubringen, kooperierte er mit Kollegen. Die Zahl gemeinsam erworbener Objekte ging in die Tausende. Zu gleichen Teilen erwarb er 1910 gemeinsam mit den Londoner Händlern Harald Bendixon und Leo Blumenreich „Madonna mit Kind und Josef“ von Albrecht Dürer für 81.000 Mark. Verkauft wurde das Gemälde für 425.000 Mark. Mit seinem langjährigen Partner, dem Kölner Kunsthandel Steinmeyer & Söhne, setzte er bei Christie‘s in London bei der Versteigerung der Sammlung Sir William Abdy, 2nd Baronet of Albyns, 100.000 Mark ein. Sechs Gemälde ersteigerten sie dafür, eines davon war die „Geburt Christi“ von Sandro Botticelli.

„Familie Sacrati in Ferrara“: Julius Böhler verkaufte das Bild als Werk von Cosimo Tura. Heute wird es Antonio de Crevalcore zugeschrieben.  Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen/Alte Pinakothek

Böhler erkannte schon damals die internationale Dimension des Kunsthandels und die Dynamik des Markts. Schon lange hatte er zu dieser Zeit den Fokus seiner Einkaufstätigkeit von anfänglich Österreich und der Schweiz in die Kunstmetropolen Paris und London verlegt. 1911 betrug sein Einkaufsvolumen 3,6 Millionen Mark. Zum Vergleich – ein Gymnasiallehrer verdiente pro Jahr 4500 Mark. Von dieser Einkaufssumme floss 1911 fast ein Drittel in den Londoner Handel, 24 Prozent ließ er in Paris zurück.

Umgekehrt hatte er keine Scheu vor Verkäufen an Kollegen. Aus einer Mannheimer Privatsammlung erwarb Böhler beispielsweise für 1900 Mark zwei Rokoko-Gemälde von François Boucher. Wenig später verkaufte er sie für 32.000 Mark an den Pariser Händler Nathan Wildenstein. Das ist ein Gewinn von mehr als 1000 Prozent.

Böhlers Karriere gleicht einem Gründerzeit-Märchen. Noch um 1870 zog er mit seinem Bruder Wilhelm als Wanderhändler für Kurzwaren in der Provinz von Haus zu Haus. Das Nebengeschäft als Zwischenhändler für Altertümer muss lukrativ gewesen sein. Beide ließen sich in München nieder und begannen, von der Wohnung aus zu handeln.

Bald gehörten Persönlichkeiten wie der Mathematikprofessor Alfred Pringsheim, späterer Schwiegervater von Thomas Mann, und der Berliner Museumsdirektor Wilhelm von Bode zu den Böhler-Kunden. „Letzterer kaufte nicht nur für das Königliche Museum Skulpturen von Veit Stoß und Gobelins“, schreibt Winkler. Der Direktor verschaffte dem Händler auch Zugang zu Berliner Sammlerkreisen bis hin zum Kaiser.

Kunsthandel

Preismargen: Eine Frage von Erfahrung, Intuition und Hoffnung

Böhlers Vermögen wuchs. Laut Winkler verdoppelte es sich zwischen 1890 und 1898 auf über eine Million Mark. Am Ende seines Lebens war Böhler Multimillionär. Nicht zuletzt, weil er als Händler die Zeichen der Zeit erkannte. Handelte er anfangs mit Antiquitäten, forcierte er um 1895 den Handel mit Altmeistergemälden. Dieser Sektor boomte. Die Nachfrage ultrareicher Sammler aus den USA heizte die Preise an.

Böhler reiste nach Italien und Spanien, um dort direkt Werke von Lorenzo die Credi, Murillo, El Greco und Goya zu kaufen. Eine wichtige Quelle wurde der europäische Adel. Vom Conte Oldofredi in Italien kaufte Böhler zusammen mit Steinmeyer ein Mädchenporträt von Diego Velázquez für 64.000 Mark. Für nicht ganz 500.000 Mark übernahm es der amerikanische Automobilpionier John North Willys.

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Böhler hatte mehr als 40 Kunden in den USA, darunter auch den Bankier J. P. Morgan. Als sich der Firmengründer 1929 zurückzog, setzten sein jüngster Sohn Otto Alfons und sein Enkel Julius Harry die Geschäfte fort. Bis heute spielt der Name Böhler im Kunsthandel eine Rolle. Auch wenn der einstige Tefaf-Händler Florian Eitle-Böhler sich von allen Messen verabschiedet hat, der Kunsthandel Julius Böhler ist weiterhin im Handelsregister notiert.

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