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Gerichtlicher VergleichWie viel Schlemmer verträgt der Kunstmarkt?

Lempertz wird im Frühjahr Teile des Nachlasses Oscar Schlemmers versteigern. Die Beendigung der Erbauseinandersetzung macht es möglich.Sabine Spindler 24.01.2025 - 05:51 Uhr Artikel anhören
Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung um das Erbe des Bauhauskünstlers Oskar Schlemmer war auch das Gemälde „Tischgesellschaft“ von 1935, das sich seit Jahren als Leihgabe im Städel befindet. Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

München. Die Herstellung eines feinen Katalogs mit Werken aus dem Nachlass Oscar Schlemmers im Jahr 2008 war für das Auktionshaus Lempertz nun doch nicht umsonst. Vor 17 Jahren wurde die geplante Sonderauktion kurzfristig gerichtlich unterbunden – wegen eines Formfehlers. Die Erlöse sollten damals die Erbauseinandersetzungen zwischen Schlemmers Nachfahren finanzieren. Jetzt sind sie beendet, und der finanzielle Druck der Erben spült Lempertz die Ware erneut ins Haus.

Im ersten Bulletin des Jahres wurde mit knappen Worten die Versteigerung von Werken aus dem Nachlass des Bauhauskünstlers für das Frühjahr angekündigt – Kern der Rückschau war selbstverständlich das starke Ergebnis für Schlemmers „Freiplastik G“, die Ende November 2024 inklusive Aufgeld 780.000 Euro erzielt hatte. Das Unikat aus Gips war schon 2008 Teil des Katalogs gewesen, damals zum Schätzpreis von 150.000 Euro.

Fast 30 Jahre lang stritten die Enkel Oskar Schlemmers um die Aufteilung des Nachlasses des bedeutenden Bauhauskünstlers. Die heute 60-jährige Janine Schlemmer forderte gerechte Teilhabe und machte Eigentumsansprüche an den Kunstwerken ihres Großvaters geltend, die ihr der inzwischen 74-jährige Cousin Raman Schlemmer trickreich vorenthielt. Es ging am Ende nicht mehr nur um die 65 Werke, die damals unter anderem aus dem Magazin der Stuttgarter Staatsgalerie abgezogen worden waren, sondern um rund 2000 Arbeiten. Der Streitwert lag bei 35 bis 38 Millionen Euro.

Im Dezember letzten Jahres hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Auseinandersetzung mit einem Vergleich beendet. Von den etwa 1600 Kunstwerken, die durch ausgiebige Recherchen und mithilfe der Werkverzeichnisse aus den 1960er- und 1970er-Jahren ausfindig gemacht werden konnten, wurden der Enkelin nun 200 Arbeiten zugesprochen. Insider sprechen von einer Schätzsumme von 23 Millionen Euro. Ein schlechter Deal war das wohl nicht. Wie der Prozessverwalter der Klägerin, Hanno Jerling, im Gespräch mit dem Handelsblatt bemerkte, handelt es sich nämlich um einige kunsthistorisch hochkarätige Werke.

Deren Bedeutung dürfte im Vergleich zu anderen Werken auch in Zukunft gewichtig sein. Ein Teil davon befindet sich seit Jahren als Leihgabe in Museen in den USA, der Schweiz und Deutschland. Wie das Handelsblatt erfuhr, sind darunter die „Komposition auf Rosa. Verhältnis dreier Figuren“ von 1915/16 im Baltimore Museum of Art und die 1935 – während der Zeit der Ächtung unter den Nazis – entstandene Version des Gemäldes „Tischgesellschaft“ im Städelmuseum Frankfurt. Schlemmer hatte das Thema schon in den 1920er-Jahren aufgegriffen. Eine hellere, optimistischere Variation von 1923 versteigerte Sotheby’s in London vor vier Jahren für 2,6 Millionen Pfund inklusive Aufgeld. Das ist zugleich der Rekord einer Schlemmer-Auktion der letzten zehn Jahre.

Die Leinwand „Komposition auf Rosa“ von 1916 bzw. 1930 war im Katalog der 2008 untersagten Schlemmer-Nachlass-Versteigerung mit einer Taxe von 1,8 bis 2 Millionen das Top-Los. Foto: Handelsblatt-Archiv

Das Feuilleton jubelte nach dem Prozess, dass das Werk Schlemmers jetzt endlich wieder konfliktfrei der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Schlemmers Avantgarde-Kunst ist aber auch auf dem Kunstmarkt gefragt. Zum Paket Janine Schlemmers gehören seit Ende 2024 nun auch alle Kunstwerke aus dem Schlemmer-Sonderkatalog von 2008.

Doch eine hundertprozentige Neuauflage dieses Angebots wird es im Frühjahr nicht geben, teilte Henrik Hanstein dem Handelsblatt mit. Sehr wahrscheinlich werden die beiden Toplose von damals wieder aufgerufen. Die Leinwand „Komposition auf Rosa“ von 1916, die der 1943 verstorbene Künstler 1930 rekonstruiert hat, war mit einer Taxe von 1,8 bis zwei Millionen Euro das teuerste Los. Der Schätzpreis des Gemäldes „Sechs-Köpfe-Fries“ von 1935 lag zwischen 800.000 und 1,2 Millionen Euro.

Ob die Gemälde derzeit ähnlich hoch geschätzt werden, ließ der Lempertz-Chef offen. „Der Markt für die Moderne hat sich geändert“, merkte er an. Den beachtlichen Erlös für die Schlemmer-Gipsfigur sieht Lempertz jedoch als gutes Zeichen an, dass bedeutende Werke des Meisters auf große Resonanz stoßen.

Lempertz versteigerte Ende 2024 Schlemmers abstrakte Gips-Figur „Freiplastik G“ von ca. 1921/23 für 780.000 Euro inklusive Aufgeld. Foto: Lempertz, Köln
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Derzeit stehen vor allem Werke aus der Bauhaus-Periode hoch im Kurs. Das in seiner geschichteten Figuren-Anordnung an die legendäre „Bauhaustreppe“ im Metropolitan Museum New York erinnernde Gemälde „Graue Jungmännergruppe“ von 1928 kostete 2021 bei Sotheby’s umgerechnet 935.000 Euro brutto. Die für Schlemmers Körperfragmentierung typische Leinwand „Figur auf grauem Grund“ von 1928 verkaufte Ketterer vor mehr als zehn Jahren für 500.000 Euro. Für unklug hält Henrik Hanstein eine Überflutung des Marktes mit zu vielen Werken dieses Avantgardisten.

Dennoch wird sich Lempertz mit der Frühjahrsauktion den Stempel einer wichtigen Schlemmer-Drehscheibe verpassen. Als Kunstmarkt-Gutachter im Schlemmerprozess hat er neben Raman Schlemmer, der viele Werke in den Jahren zuvor an einen unbekannten Ort verbracht hat, vielleicht den besten Überblick über die verfügbaren Kunstwerke des Nachlasses. Mit beiden Seiten steht er bestens in Kontakt. Auch Raman Schlemmer hat der Prozess in die Einliefersituation gebracht. Die Prozesskosten müssen beglichen werden. Henrik Hanstein hat einen klugen Schachzug getan, als er die Schulden beim Prozesskostenfinanzierer ausgelöst hat. „Das verbuche ich als Vorschuss auf die zu erwartenden Erlöse“, so Hanstein. Das kann man Partnerschaft nennen oder auch eine besondere Art von Akquisepolitik.

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