Kommentar zu Gen Z: Deutschland scheitert nicht an der Generation Z


Der Ex-Bundesinnenminister kritisierte die Generation Z auf dem Evangelischen Kirchentag: „Mich ärgert, dass sie zu viel an sich denken und zu wenig an die Gesellschaft.“
Deutschland steht wirtschaftlich mies da. Während die Regierung vor allem mit ihren eigenen Rangeleien beschäftigt ist, sucht man in der Opposition derweil einen Sündenbock für die triste Lage des Landes.
Besonders forsch schreitet CDU-Urgestein Thomas de Maizière (69) voran. Das jüngste Umfragehoch der AfD wirkt dabei offenbar wie ein Aufputschmittel. Das neue Feindbild des ehemaligen Bundesinnenministers (2017: „Wir sind nicht Burka“) im Verteidigungskampf um die deutsche Leitkultur ist die Generation Z, also die zwischen 1995 und 2010 Geborenen. In seinen Augen: faule Bälger mit zu viel Sinn für Work-Life-Balance statt für Arbeit und Tugend.
Die Einschätzung ist nicht neu. Viele Politiker, vor allem solche aus der CDU, und auch Bundespräsidenten beschwerten sich jüngst über die vermeintliche Arbeitsfeindlichkeit der jungen Generation. De Maizière ist jedoch der Erste, der das in aller Deutlichkeit ausspricht: „Die Anspruchshaltung vieler in dieser Generation Z geht mir gegen den Strich. Mich ärgert, dass sie zu viel an sich denken und zu wenig an die Gesellschaft.“
Generation Z: Thomas de Maizières Vorwürfe sind purer Populismus
Es könne nicht angehen, dass alle nach Homeoffice und Viertagewoche schreien, während Krankenschwestern und Polizisten „rausmüssen“, sagte der CDU-Politiker in einem Interview anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentags. „Die können sich keinen Cappuccino mit Hafermilch machen, wann sie Lust haben.“
Das ist, um es kurzzufassen, reiner Populismus. Denn Work-Life-Balance hängt nicht nur davon ab, wann man sich einen Kaffee machen, sondern davon, wie lange man gesund arbeiten kann – oder eben nicht. Seine Vorwürfe offenbaren, dass de Maizière, der selbst ein „Babyboomer“ ist, also aus der Vor-Vor-Vorgeneration der „Gen Z“ stammt, wenig Ahnung von jungen Menschen hat. Muss er streng genommen auch gar nicht, schließlich ist die Wählerklientel seiner Partei schon mehrheitlich in Rente.
Die Generation Z ist nicht faul, sondern vorausschauend
Der Vorwurf, die „Gen Z“ sei faul und egoistisch, ist zum Fluchtpunkt für Politiker geworden, die sonst nicht mehr viel zu sagen haben. Das nervt. Wenn sie dann abstruse Dinge äußern wie de Maizière, der behauptet, die „Gen Z“ denke nur an Freizeit und bestelle sich abends auf Kosten ausgebeuteter Lieferando-Boten Champagner, dann kommen große Fragezeichen auf: Hat Ludwig Erhard etwa nur für das Wirtschaftswunder geackert, damit wir nach Feierabend im Homeoffice Schaumwein schlürfen können?
Zu de Maizières Vorwürfen gegen die „Gen Z“ stelle ich stellvertretend für meine Generation fest: Wir trinken keinen Champagner. Champagner ist kein Trendgetränk mehr. Champagner steht für gut bezahlte Praktika, die es kaum noch gibt.
Champagner steht für die Generation „Work hard, play hard“, die sich zwar gnadenlos in alle Führungspositionen gebuckelt hat, dafür aber nur ein bisschen Leben neben der Arbeit hatte. Die „Gen Z“ hat daraus gelernt und fordert nun ein bisschen weniger Arbeit neben dem Leben, um diese Arbeit auf lange Sicht gut machen zu können. Das ist nicht faul, sondern vorausschauend.



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Erstpublikation: 12.06.2023, 17:02 Uhr.





