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Morning BriefingDas Schweigen des Markus Braun

Sven Afhüppe 20.11.2020 - 06:00 Uhr Artikel anhören

Liebe Leserinnen und Leser,

der Auftritt des ehemaligen Wirecard-Chefs Markus Braun vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss war gleich in mehrfacher Hinsicht historisch. Mit Braun stellte sich nicht nur erstmals ein Zeuge aus dem Gefängnis den Fragen der Abgeordneten. Die Parlamentarier hatten die Befragung zur Aufklärung des milliardenschweren Wirecard-Skandals gerichtlich erzwungen. Braun verweigerte nach dem Verlesen eines knappen Statements zudem vollständig die Beantwortung weiterer Fragen. Immer wieder verwies er auf sein „umfassendes Aussageverweigerungsrecht“.

Die Abgeordneten wollen allerdings nicht einfach klein beigeben. Eine erneute Vorladung zu einem späteren Zeitpunkt ist wahrscheinlich – notfalls mit gerichtlicher Unterstützung. Braun sollte wissen: Ein Untersuchungsausschuss ist ein legitimes Instrument des Parlaments zur Aufklärung. Und bei der Aufarbeitung des größten deutschen Börsenskandals sind noch viele Fragen ungeklärt. Brauns Schweigen bringt dem langjährigen Wirecard-Chef höchstens einen kleinen Zeitgewinn. Mehr aber auch nicht. Am Ende gilt das Motto: Nach der Befragung ist vor der Befragung.

Foto: AP

Das Robert-Koch-Institut hat gestern mehr als 22.000 neue Corona-Infektionen gemeldet, mehr als am Tag zuvor und vor allem mehr als vor einer Woche. Die viel beschworene Trendwende ist trotz des November-Lockdowns weiter nicht nachweisbar. Nach wie vor schätzt das RKI die Corona-Lage in Deutschland als „sehr ernst“ ein.

Nach Ansicht von RKI-Chef Lothar Wieler seien die Fallzahlen immer noch „viel zu hoch“. Eine gute Nachricht sei allerdings, dass die Zahlen aktuell nicht weiter stiegen. Das Prinzip Hoffnung wird erkennbar zum beständigen Begleiter in der Pandemiebekämpfung. Entsprechend nüchtern fällt der Blick des RKI-Chefs in die Zukunft aus: „Wir sind noch lange nicht über den Berg.“ Die Beschränkungen müssten „noch viele Monate“ durchgehalten werden.

Angela Merkel wird diese Analyse dankbar registriert haben. Beim nächsten Treffen mit den Ministerpräsidenten in der kommenden Woche will die Kanzlerin einen erneuten Anlauf für verschärfte Maßnahmen unternehmen. Noch ist unklar, mit welchen Ideen zur Kontaktbeschränkung sich die Kanzlerin durchsetzen wird. Sicher ist nur, dass der aktuelle Lockdown nachgeschärft und wahrscheinlich auch verlängert wird – mit schweren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft.

Foto: dpa

Wenn am Wochenende die Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zusammenkommen, ist die Corona-Pandemie eines der zentralen Themen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zugleich EU-Ratspräsidentin ist, wird wenig Glanzvolles in der Gipfel-Runde berichten können. Im Gegenteil: Covid-19 hat Europa, auch Deutschland, weiter voll im Griff. Der Streit um das EU-Budget und den Wiederaufbaufonds zeigt die ganze Zerrissenheit des Kontinents und die Folgen des Brexit sind noch lange nicht absehbar. Handelsblatt-Politikchef Thomas Sigmund hat dennoch eine Idee für eine positive Nachricht made in Germany.

Auch unsere aktuelle Titelgeschichte „Deutschland nach Corona“ befasst sich mit der Pandemie. Grundlage ist eine exklusive Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos über die Wachstumsaussichten der 401 Landkreise und kreisfreien Städte nach der Corona-Pandemie bis zum Jahr 2030.

Die Ergebnisse sind nicht nur hochinteressant, sondern teilweise auch verblüffend. So liegen auf den vorderen drei Plätzen die beiden an Berlin angrenzenden Landkreise Dahme-Spreewald und Oder-Spree sowie Potsdam. Und auch die Ostseestadt Rostock hat es unter die zehn Städte mit den besten Zukunftsperspektiven gebracht.

Foto: Handelsblatt

Was Gewinner- und Verliererregionen in Deutschland unterscheidet, ist nach Ansicht der Prognos-Forscher der Fachkräftemangel. In Deutschland werden in den nächsten Jahren, so das Ergebnis der Studie, nicht Arbeitsplätze knapp, sondern Arbeitskräfte. Das stärkste Wachstum weisen deshalb jene Landkreise auf, die auch in Zukunft Menschen im erwerbsfähigen Alter anziehen. Das alte Paradigma der Wirtschaftsförderung, Unternehmen zu den Menschen zu locken, gilt in dieser Eindimensionalität nicht mehr. Mindestens so wichtig wird es, die Menschen zu den Unternehmen zu locken.

Auf den ersten Blick scheint es nicht so schlecht um den Stahlkonzern Thyssen-Krupp bestellt zu sein. Ein Reingewinn von fast zehn Milliarden Euro, eine solide Eigenkapitalquote und eine schuldenfreie Bilanz sind ordentliche Finanzkennzahlen für das Essener Traditionsunternehmen in der aktuellen Jahresbilanz. Doch der Schein trügt. Ohne den milliardenschweren Verkauf der Aufzugssparte summieren sich die Verluste auf 5,5 Milliarden Euro. Es ist der größte Verlust in der Geschichte von Thyssen-Krupp.

Grund genug für Konzernchefin Martina Merz, das Sparprogramm noch einmal drastisch zu verschärfen. Der bisher geplante Abbau von 6000 Stellen soll um rund 5000 Arbeitsplätze erweitert werden. Bei Martina Merz klingt das so: „Das war nur die erste Etappe. Es braucht weitere kraftvolle Schritte, wir müssen noch tief in den roten Bereich“. Die Operation Kahlschlag lässt Thyssen-Krupp nach und nach zu einem Mini-Konzern zusammenschrumpfen. Das muss nicht schlecht sein, wenn für den Rest-Konzern ein nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell gefunden wird. Nur kann davon bisher nicht die Rede sein.

Mit dem Machtwechsel in Washington verbindet die deutsche Wirtschaft viele Hoffnungen. Eine ist, dass der Streit um die Ostseepipeline Nord Stream 2 beigelegt wird. Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft hat sich deshalb mit einem Brief an Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, und andere prominente US-Demokraten gewandt. „Mit dem Wahlsieg von Joe Biden verbinden sich in Deutschland und der deutschen Wirtschaft große Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der transatlantischen Partnerschaft“, heißt es in dem Schreiben, das dem Handelsblatt vorliegt. So weit, so gut.

Der Ost-Ausschuss artikuliert in dem Brief zudem die Sorge, „dass die US-Demokraten auch nach dem erfolgreichen Wahlkampf von Joe Biden neue, extraterritoriale Sanktionen gegen das Projekt Nord Stream 2 auf Kosten europäischer Unternehmen einführen wollen“. Konkret appellieren die Lobbyisten an die USA, von Wirtschaftsstrafen abzusehen. Die Erfolgsaussichten sind gering. Biden selbst hat die Pipeline als „grundsätzlich schlechten Deal“ bezeichnet. Es wäre ein kleines Wunder, wenn der Brief an diesem Befund etwas ändern würde.

Foto: Bloomberg

Und dann ist da noch Jennifer Morgan. Die ehemalige Co-Chefin des deutschen Softwarekonzerns SAP hat einen neuen Job. Morgan übernimmt bei der amerikanischen Beteiligungsgesellschaft Blackstone die Aufgabe als globale Leiterin für Portfoliotransformation und Talente. Unter anderem soll sie Unternehmen durch den Einsatz neuer Technologien beim Wachstum helfen – genau das hat Morgan bei SAP gelernt. Nicht ausgeschlossen, dass man sich in Walldorf über den Abgang der erfolgreichen Amerikanerin noch ärgern wird.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende.

Verwandte Themen Markus Braun Deutschland Joe Biden Jennifer Morgan Thyssen-Krupp Wirecard

Herzliche Grüße Ihr

Sven Afhüppe
Chefredakteur

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