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Morning Briefing Impfen durch die Hintertür: Das Prinzip „Nudging“

10.08.2021 - 06:21 Uhr 1 Kommentar

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

vor sechs Jahren tauchten Verhaltensforscher im Team von Angela Merkel auf – und ein Zauberwort namens „Nudging“. Die Kanzlerin hatte begriffen, dass ihr Volk zu gewünschten Handlungen zu „schubsen“ sei, also Gebote wie einen „Veggie-Day“ oder Verbote („Nicht über 130 Stundenkilometer!“) hasst. Zum „Nudging“-Hit der Saison wird die Idee, eine Impfpflicht durch die Hintertür einzuführen – Corona-Schnelltests gibt es nur noch gegen Geld.

Das ergibt sich aus der Beschlussvorlage zum heutigen Bund-Länder-Pandemiegipfel. Am öffentlichen Leben dürfen die Getesteten weiter (bis auf Weiteres?) teilhaben. Im Übrigen dürfen sich alle darauf einstellen, dass der Ausnahmezustand über das bisherige Fristende am 11. September hinaus verlängert wird. Das Land sei nach wie vor in einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“.

Alle reden vom Wetter – wir auch in unserer Titelgeschichte. Wenn der Spruch noch gilt: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, dann hätte es gestern den Bericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) überhaupt nicht gebraucht.

Die brennenden Wälder von Kanada, Kalifornien, Russland, Sizilien, Griechenland und der Türkei, die Hochwasserfluten im Ahrtal, in China, Indien, Südsudan, Nigeria und Myanmar belegen besser als tausend Blatt Papier, wie die Erderwärmung auch Extremwetterlagen begünstigt und wie diese wiederum Volkswirtschaften schädigen.

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Und doch hat der IPCC-Report der internationalen Wissenschaftler Wirkung. Denn ihr Resümee ist schrill wie eine Feuerwehrsirene: Wenn die Politik nicht sofort handelt, steigt die Welttemperatur schon gegen 2030 um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit. Das Zeichen der Zukunft: „Rot“.

„Sheesh, so weit ist es also schon, Digga! Das ist alles ganz schön Cringe!“ So würde ein Jugendlicher das Wahrwerden schlimmster Szenarien kommentieren, denn dieses Vokabular gehört zu den beliebtesten Jugendwörtern. „Wow, Kumpel, das ist ganz schön zum Fremdschämen“, würden Ältere dazu sagen.

Das Teenager-Idol der Fridays-for-Future-Ära, Greta Thunberg aus Schweden, hält mittels ihres Coverbilds in der skandinavischen Ausgabe der Fashionfibel „Vogue“ der Modebranche den Spiegel vor. „Lady-be-good“ zeigt sich im Oversized-Trenchcoat vor Bäumen, ein Pferd streichelnd – ein Idyll à la Claude Monet.

Die Greta-Anklage hierzu gibt es bei Twitter: Die Mode-Industrie trage „erheblich zum Klima- und Umweltnotfall bei“, heißt es da. Erwähnt wird auch die Ausbeutung von Arbeitern auf der ganzen Welt, nur „damit einige Fast Fashion genießen können, die viele als Wegwerfartikel behandeln.“

Weil CDU-Chef Armin Laschet und Grünen-Chefin Annalena Baerbock den Wahlkampfauftakt vertölpeln, beginnen einige tatsächlich, in dem SPD-Kandidaten Olaf Scholz den nächsten Kanzler zu sehen.

Der Sozialdemokrat tut alles, um solche Narrative zu stärken – und greift sogar zur PR-Streubombe schlechthin, dem „negative campaigning“, in Österreich als „Schmutzkübel-Kampagne“ bekannt.

Quelle: dpa
Die SPD greift im Rennen um die Kanzlerschaft sogar zum „negative campaigning“.

Jedenfalls ist in einem SPD-Werbespot eine Matrjoschka-Puppe zu sehen, aus der ein CDU-Politiker nach dem anderen zum Vorschein kommt. Irgendwann erscheint NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski. Und dazu der Text: „(Wer CDU wählt, der wählt…) erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist“. In diesem Sinne hatte sich der bekennende Katholik 2007 als 22-Jähriger in einer Talkshow geäußert, als Vertreter der „Generation Benedikt“.

Bischofskonferenz und CDU verurteilen den Spot, und auch Kandidat Laschet verlässt die Komfortzone des Nicht-Einmischens: „Mich hat das überrascht, welche Methoden jetzt Olaf Scholz anwendet, um Wahlkampf zu machen.“

Vor zwei Jahren war Biontech allerhöchstens Lesern des „Epidemiologischen Bulletins“ ein Begriff. Nun aber prognostiziert der Mainzer Pharmaproduzent mit CEO Ugur Sahin für 2021 einen auf 15,9 Milliarden Euro angehobenen Umsatz. Damit fliegt man in die Region von Bayer.

Die Pharma-Sparte des Leverkusener Konzerns hatte 2020 rund 17,2 Milliarden umgesetzt und steuert diesmal auf 18 Milliarden zu. Das von Biontech entwickelte Covid-Präparat stellt sich „als die kommerziell erfolgreichste Produkteinführung in der Pharmabranche aller Zeiten heraus“, schreibt unser Fachredakteur Siegfried Hofmann.

Gemessen am Börsenwert sind die Mainzer mit 88 Milliarden Euro schon jetzt an der Spitze. Es folgen Merck mit knapp 80 Milliarden und dann, deutlich abgeschlagen, Bayer mit 46 Milliarden, was die Quittung für all die Monsanto-Irrungen ist. Gestern schaffte Biontech an der US-Technologiebörse Nasdaq bei Handelsschluss ein Plus von rund 15 Prozent auf 447 Dollar.

Quelle: Kugler, Steffen
Sabine Kuhlmann hält den Plan, bis Ende 2022 alle Verwaltungsleistungen auch digital anzubieten für ambitioniert.
(Foto: Kugler, Steffen)

Die öffentliche Verwaltung fiel bislang eher durch „gelesen, gelacht, gelocht“ auf. Also durch ein Übermaß an Bürokratie und weniger durch großartige Innovationen. Genau das soll der Nationale Normenkontrollrat ändern – doch der zweifelt inzwischen an den Digitalisierungs-Plänen der Bundesregierung. Sabine Kuhlmann, Vizechefin des Beratergremiums der Bundesregierung, über…

  • den Plan, bis Ende 2022 alle Verwaltungsleistungen auch digital anzubieten: „Ich halte das für ziemlich ambitioniert. Von der „Once-only“-Idee, dass Bürger und Unternehmen bestimmte Standard-Informationen nur noch einmal mitteilen müssen, sind wir noch weit entfernt.“
  • Föderalismus: „Er ist auf jeden Fall eine Hürde für die Digitalisierung der Verwaltung. Wir haben dadurch eine ziemlich hohe Komplexität der Strukturen.“
  • ein Digitalministerium: „Ich bin skeptisch, ob ein großes, schwerfälliges Ministerium wirklich hilfreich ist. Wir plädieren für eine eher schlanke Digitalisierungsagentur, die mit agilen, flexiblen und innovativen Formaten die Digitalisierung operativ voranbringen kann.“

Die Beharrungskräfte sind in der Administration besonders stark, wie schon Franz Kafka wusste: „Jede Revolution verdunstet und hinterlässt einen Bodensatz Bürokratie.“

Und dann ist da noch die durchaus beliebte „VW Currywurst“ , für die der alte Song-Kalauer „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“, nicht mehr gilt. Denn im Wolfsburger Markenhochhaus des Volkswagen-Konzerns ist das fettig-würzige Essangebot einfach vom Speiseplan der Kantine gestrichen worden.

Nach dem Werksurlaub schaltet man auf fleischfrei um und setzt auf 150 Rezepte für veganes oder vegetarisches Essen. Ab und zu gibt es Fisch. In einer anderen Kantine hingegen kann das Personal, wie gehabt, zur VW Currywurst greifen. Davon wurden 2019 übrigens sieben Millionen Exemplare verzehrt. Seit Herbert Diess den CEO-Posten in Wolfsburg antrat, scheint es bei VW wirklich um die Wurst zu gehen.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag, mit oder ohne Fleisch.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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1 Kommentar zu "Morning Briefing : Impfen durch die Hintertür: Das Prinzip „Nudging“"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Nudge heißt anstupsen. Das soll Verhaltensänderung ohne Zwang bewirken.
    Testpflicht und Testgebühr ist kein Nudge sondern Zwang und Enteignung, sowohl finanziell als auch rechtlich und psychologisch.
    Das sollte die Redaktion berücksichtigen und propagandistische Begriffsvergewaltigungen vermeiden.

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