Morning Briefing Merkels Angst vor dem Viren-Winter
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
zunächst ging es beim Wettbewerb der Bundesländer darum, wer wohl am weitesten unter den strengen Vorgaben der Bundeskanzlerin bleiben würde. Inzwischen hat der Wettbewerb eine andere Richtung eingeschlagen: Nun geht es bei einigen Ländern darum, am nahesten bei Angela Merkel zu stehen, wenn sie mit der Falte des Zorns demnächst wieder einen härteren Lockdown verkünden wird.
Gute Chancen auf eine Extra-Belobigung hat da Sachsen mit Leitfigur Michael Kretschmer von der CDU. Dort soll es bereits nächste Woche einen harten Lockdown geben. Nur lebensnotwenige Läden – wie Supermärkte – sollen dann geöffnet bleiben. Auch NRW und das Saarland fordern eine härtere Linie, ganz nach Modell Merkel. Die Kanzlerin selbst warnt aktuell wieder vor einer ganz schwierigen Lage: „Mit dem Prinzip Hoffnung kommen wir nicht durch den Winter“.

Man kennt das von Spitzentreffen: Kurz davor macht der Außenseiter Druck vor allen möglichen Drohkulissen. So ist es auch vor dem EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag. Dort haben Ungarn und Polen den Schwarze-Schafe-Part: Weil sie das Prinzip der Rechtstaatlichkeit beim Erfüllen von Verträgen nicht akzeptieren, blockieren sie den EU-Haushalt und Wiederaufbauhilfen. Allerlei Kampfparolen und Verschwörungstheorien kommen derzeit von polnischen Hinterbänklern, aber auch von Premier Mateusz Morawiecki im Handelsblatt-Gastkommentar. Zum Rechtsstaat-Streit schreibt er allen Ernstes: „Vielleicht handelt es sich aber um ein Spiel, das von einigen Akteuren gespielt wird, damit der Europäische Aufbaufonds nicht aktiviert wird – weil sie zwar die größten Nutznießer des gemeinsamen Binnenmarktes sind, aber keine Lust haben, in die gemeinsame Kasse einzuzahlen.“ Fake News sind klassenlos, es gibt sie auf dem Boulevard, aber auch in Premier-Büros.
Eine Tabelle macht Hoffnung: der neue Klimaschutzindex 2021 der Umweltorganisation Germanwatch und des NewClimate Institute. Das Werk umfasst 57 Nationen mit dem größten Ausstoß von Treibhausgasen und die EU. Es gibt ein paar ermutigende Ergebnisse, die unsere Redaktion analysiert.
- Insgesamt stiegen die CO2-Emissionen zuletzt nur noch leicht an, in mehr als der Hälfte der Staaten sanken sie sogar.
- Schweden schneidet am besten ab, gefolgt von Großbritannien, Dänemark und Marokko.
- Deutschland ist erst auf Platz 19 zu finden, was auch am schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien liegt.
- Die USA liegen zum zweiten Mal hinter Saudi-Arabien auf dem letzten Platz des Rankings.
Die Umweltpolitik ist auch Thema auf dem nahenden EU-Gipfel sowie anschließend beim UN-Klimagipfel am Samstag. Es fällt auf, dass die Weltgemeinschaft noch weit davon entfernt ist, das vor genau fünf Jahren beschlossene Pariser Klimaabkommen mit einem Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Zwei Einkaufssäcke Optimismus bringt Top-Klimaökonom Ottmar Edenhofer ein: „Die drei größten Klimagas-Verursacher China, USA und EU nennen neuerdings allesamt das Ziel: netto null Emissionen.“

Boris Johnson kommt auch nach Brüssel, aber nicht, um sich für seine prima Ökowerte feiern zu lassen, sondern weil er das am Montagabend abrupt beendete Telefonat mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen persönlich fortführen will. Klar, man streitet sich weiter um den perfekten Abschied aus der EU und das Binnenmarktgesetz. Nun sollen sogar Klauseln entschärft werden, die Teile des 2019 vereinbarten Exit-Deals wieder hätten aushebeln können. Downing Street deutet Konzilianz an. Aber man weiß nie bei dem britischen Regierungschef Johnson, der sich selbst wiederum gerne mit großen Figuren der Mediengeschichte vergleicht: „Hulk ist immer entkommen, egal wie tief er im Schlamassel gesteckt hat – und so ist das auch mit diesem Land.“
Manchmal laufen die Worte den Taten so weit voraus, dass sie kaum mehr einzuholen sind. Das könnte jetzt auch der in der Berliner SPD gerade hochgelebten Familienministerin Franziska Giffey passieren. Ihr mit Rassel, Tambourin und Tamtam eingeführtes „Gute-Kita-Gesetz“ droht in absehbarer Zeit auszulaufen. Im Finanzplan des Bundes 2022 bis 2024 findet sich jedoch nichts, was auf einen weiteren Finanzausgleich über das Jahr 2022 hinaus verweist. Empört ist FDP-Politiker Joachim Stamp, in Nordrhein-Westfalen Familienminister und stellvertretender Ministerpräsident: „Giffey verliert damit endgültig ihre Glaubwürdigkeit. Die Länder sitzen in der Kostenfalle.“
Die Revolution frisst ihre Kinder – in der Autobranche sind das jene, die allzu naiv auf einen baldigen Erfolg des autonomen Fahrens gehofft haben. Den geordneten Rückzug tritt jetzt der Fahrdienst-Makler Uber an. Er verkauft die kostspielige eigene Technik für Roboterwagen an die Firma Aurora. So heißt die Morgenröte auf Lateinisch, ein Mehlprodukt sowie ein Start-up. In das steckt Verkäufer Uber noch mal 400 Millionen Dollar, dafür ist Aurora nunmehr strategischer Partner. An das fahrerlose Kutschieren hatte einst Mitgründer Travis Kalanick geglaubt und deswegen den Google-Mann Anthony Levandowski geholt. Der wurde jedoch nach einem Rechtsstreit gefeuert, weil er Geheiminformationen von seinem Alt-Arbeitgeber mitgebracht haben soll. Damals versicherte Uber, keine Google-Technik zu nutzen. Jetzt steigt man aus wie ein Boxer, dem das Handtuch vor die Füße geworfen wurde.

Sein Leben bestand einerseits aus Anstrengung, andererseits aus Anregung. Es war ja auch schwer, auf Hunderten Seiten allen gerecht zu werden, den Kameraden „Billy“, „Klippan“ und „Gröndal“. Doch dafür versetzte dieser Packen bunter Bilder die Leser in die Fantasie, mit Regalen, Sofas oder einem Schaukelstuhl schwedische Pippi-Langstrumpf-Fröhlichkeit in die eigenen vier Wände zu bringen. Über Tote soll man nur Gutes sagen, was im Fall des nach 70 Jahren von uns gegangenen Ikea-Katalogs natürlich leichtfällt.
Hellmuth Karasek selig hatte einst ja kurz davorgestanden, das Opus Magnum ins „Literarische Quartett“ zu bugsieren, beließ es dann aber bei einer profunden Rezension, die in der Entdeckung gipfelte, hier breite sich ein „möblierter Roman“ vor uns aus. Zu jeder guten Geschichte gehören Rekorde, und die Legende nennt hier die 2016er Katalogauflage von 200 Millionen Exemplaren. Zu jeder guten Geschichte gehört aber auch eine Verheißung am Ende. Die sieht Onlineglück vor, wo früher Druckerschwärze an Fingern klebte. Doch manche dürften mit Friedrich Hebbel zweifeln: „Du siehst die leuchtende Sternschnuppe nur dann, wenn sie vergeht.“
Und dann ist da noch Robert Zimmerman, als Bob Dylan und Literaturnobelpreisträger bekannt. Er hat jetzt die Autorenrechte an 600 Songs aus 60 Jahren an die Vivendi-Tochter Universal Music verkauft, die damit den für 2022 geplanten Börsengang aufhübscht. Mr. Dylan, wurden Ihnen wirklich 300 Millionen Dollar gezahlt? „The answer, my friend, is blowin‘ in the wind.“ Hatten Sie mit vielen Musikfirmen Kontakt? „I met one man who was wounded in love/ I met another man who was wounded with hatred.“ Haben Sie den Deal schon bereut? „Don’t think twice, it’s all right.“ Aber warum jetzt, mit 79? „And the first one now will later be last / For the times they are a-changin‘“. Zum Schluss: Hat Corona eine Rolle gespielt, die Zeit ohne Konzerteinnahmen? „Strike another match, go start anew/ And it’s all over now, Baby Blue.“
Ich wünsche Ihnen einen unterhaltsamen Tag.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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