Auktionen: Sotheby’s und Christie’s gehen in London auf Nummer sicher
London. Der Auktionskalender der Frieze-Woche spiegelt die Diskrepanzen in den Strategien der Auktionshäuser, mit einem schwächeren Angebot in der Marktkrise umzugehen. Christie’s sagte im Juni die Abendauktion für zeitgenössische Kunst ab und konzentrierte sich auf die Oktoberauktionen. Sie bieten ein breiteres Spektrum als vorher an. Ein Schwerpunkt liegt auf der Kunst der Moderne, inklusive Papierarbeiten. Sotheby’s hingegen stellte seine Abendauktion mit nur 23 Losen zusammen, gab aber die auf jüngste Kunst fokussierte „The Now“-Auktion der Vorjahre auf.
Außerdem legten beide Auktionshäuser ihre Abendauktionen auf den Mittwoch, den Vorbesichtigungstag für Frieze. Man wollte das jüdische Versöhnungsfest am Ende der Woche respektieren, hieß es. Aber man kann sich fragen, ob nicht auch die Angst, dass nach Mittwoch weniger Kunden in London sein könnten, zu Buche schlug.
Christie’s Abendauktion hatte 55 Lose im Angebot. Von diesen waren vier Lose vor der Auktion zurückgezogen worden, darunter Emil Noldes „Herbstmeer XV“, auf 1 bis 1,5 Millionen Pfund geschätzt. Die Auktion brachte ein respektables Resultat von 82 Millionen Pfund. Die Verkaufsrate lag bei 89 Prozent. 2023 hatte das Haus nur 45 Millionen umgesetzt. Aber obwohl die Auktion im letzten Jahr 51 Lose verzeichnete, war damals nur Kunst der Nachkriegszeit und der Zeitgenossen zum Aufruf gekommen, sodass ein direkter Vergleich hinkt.
Die jetzige Auktion spannte den Bogen von der französischen Moderne bis zur jungen Kunst. Henri de Toulouse-Lautrecs „La femme tatouée“, geschätzt auf 2,5 bis 3,5 Millionen Pfund, verkaufte sich für enttäuschende 2,2 Millionen Pfund inklusive Käuferaufschlag. Die Arbeit, die sich seit 100 Jahren in der Schweizer Familiensammlung von Arthur und Hedy Hahnloser befand, ging wohl an den Garantiegeber.
Insgesamt war die Hälfte der Lose mit Garantien versehen, sodass man von einer teils choreografierten Auktion sprechen kann. Damit wollte Christie’s sich und den Markt absichern. Das gelang auch, brachte aber wenig Drama.
Toplos des Abends wurde Lucian Freuds „Ria, Naked Portrait“, das mit 11,8 Millionen Pfund knapp die untere Schätzung von zehn Millionen Pfund überstieg und zum teuersten Los bei Christie’s wurde. Jeff Koons’ blauer „Balloon Monkey“ erzielte 7,5 Millionen Pfund.
Enthusiasmus kam erst für ein kleines Pastell von Edgar Degas auf. Ein Bieter im Saal und ein Telefonbieter wollten es sich nicht entgehen lassen. Gegengebote trieben die Arbeit auf eine Million Pfund, das Doppelte der Schätzung, hoch. Einen Auktionsrekord erbrachte Léon Spilliaerts Papierarbeit „Phare sur la digue“ mit 983.000 Pfund.
Bei der zeitgenössischen Kunst signalisieren zwei frühe Werke von Richard Prince – eine Krankenschwester und ein Cowboy – das erneuerte Interesse an der Kunst der späten 1990er-Jahre. „Hurrikane Nurse“ spielte 4,2 Millionen Pfund ein. Die Schätzung lag zwischen 3,5 und 5,5 Millionen Pfund.
Das Interesse sowohl an Hurvin Anderson als auch an Lynette Yiadom-Boakye scheint sich abzuschwächen. Das Bild von Anderson bei Christie’s kam erst gar nicht zum Aufruf. Bei Sotheby’s schnitt eine weitere Arbeit am selben Abend schlecht ab. Und Yiadom-Boakye blieb mit nur einem Gebot bei Christie’s am unteren Rahmen der Schätzung. Es erzielte 820.000 Pfund. Bei Sotheby’s blieb ein gleiches Format unverkauft.
Die Tagauktionen bei Christie’s liefen allgemein stark. Im unteren sechsstelligen Bereich waren Bieter vor allem auch online aktiv. Christie’s separate Auktion mit Papierarbeiten hatte unter anderem intime Werke des deutschen Expressionismus im Angebot.
Gabriele Münters Stillleben „Blumen und kleine Madonna“ wurde für 105.000 Pfund an einen Telefonbieter vermittelt. Geschätzt war es auf 60.000 bis 90.000 Pfund. Eine „Mutter und Kind“ betitelte Arbeit von Paula Modersohn-Becker aus einer deutschen Sammlung ging ebenfalls erfolgreich an einen Kunden von Dirk Boll für 315.000 Pfund. Erwartet wurden 250.000 bis 350.000 Pfund. Die „Da-Dandy“-Collage von Hannah Höch vervierfachte ihre Schätzung auf 280.000 Pfund.
Sotheby’s Abendauktion folgte direkt im Anschluss an Christie’s. Durch das kleine Angebot wurde es eine kurze Affäre. Die 23 Lose spielten ein Gesamtergebnis von 37,6 Millionen Pfund ein. Letztes Jahr im Oktober verzeichnete die Auktion 21 Lose und brachte 30 Millionen Pfund ein. Allerdings gab es 2023 noch die separate Now-Versteigerung der ganz jungen Kunst, die mit 21 Losen 15 Millionen Pfund zusätzlich einspielte. Damit war es dieses Jahr ganz vorbei. Das zeigt, „dass sich das Haus dem Markt angleicht“, formulierte es Sotheby’s Abteilungsleiter für moderne und zeitgenössische Kunst, Alex Branczik, nach der Auktion. Und dieser Markt scheint weggebrochen zu sein.
Sotheby’s Angebot war solide. Kein Los wurde vor der Auktion zurückgezogen. Mit einer Verkaufsrate von 82 Prozent und einem Durchschnittspreis von zwei Millionen Pfund steht das von Gerüchten belagerte Haus nicht schlecht da.
Banksy’s kugelsichere Weste ging nicht in die Luft
Sotheby’s Toplos war ein früher David Hockney von 1968, der stark begehrt war. Statt erwarteter sieben bis zehn Millionen Pfund erzielte das Bild „L’Arbois, Sainte-Maxime“ 13,2 Millionen Pfund. Ein großes Gemälde von Bridget Riley aus der Serie „Zig“ verkaufte sich für 1,9 Millionen Pfund nach Asien. Die Taxe lag bei 1,5 bis zwei Millionen Pfund. Und das Bild „Der Morgenthau Plan“ (2014) von Anselm Kiefer ging für eine Million Pfund an einen Kunden in Indien. Geschätzt war es auf 600.000 bis 800.000 Pfund.
Sotheby’s riskierte wieder einmal, eine Auktion mit einer Arbeit von Banksy zu beenden. Die kugelsichere Weste ging aber zum Glück nicht in die Luft. Sie zog jedoch genug Gebote auf sich, dass sich die Schätzung vervielfachte und sie für 780.000 Pfund verkauft werden konnte. Erwartet wurden 200.000 bis 300.000 Pfund.
Aus den Auktionen kann man verschiedene Schlüsse ziehen. Der Hype um die ganz Jungen ist komplett weg; das heißt, dass auch die Preisspekulationen um sie hoffentlich langfristig vorbei sind. Das tut vor allem den Künstlern und Galerien gut. Gute Preise erzielen Verkäufe vor allem im mittleren Segment mit etablierten Namen, sei es aus der Moderne oder der zeitgenössischen Kunst.
Solide, nach unten revidierte Schätzungen helfen, Kunst zu verkaufen, Künstlerrekorde aber kommen nur noch selten vor. Auf der anderen Seite können liquide Käufer für moderate Preise gute Kunst kaufen. Allerdings muss man genau hinschauen, was man will. Die Zeiten, in denen man den Auktionswochen trauen konnte, sind vorbei. Die Angebote der Häuser unterscheiden sich zunehmend. Die Londoner Auktionen haben den Markt beruhigt. Man kann nur hoffen, dass es so weitergeht.