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Raimund Röseler im Interview Bafin erwartet große Landesbank-Fusion: „Sparkassen-Mehrheit befürwortet eine Konsolidierung“

Trotz vieler Widerstände rechnet der oberste deutsche Bankenaufseher mit einem Deal. Zudem spricht er über eine schärfere Überwachung der Zinsplattformen und die Früchte des Bafin-Umbaus.
29.07.2021 - 14:00 Uhr 1 Kommentar
Er leitet die Bafin seit dem Rückzug von Präsident Felix Hufeld Ende März kommissarisch. Quelle: Uta Wagner für Handelsblatt
Raimund Röseler

Er leitet die Bafin seit dem Rückzug von Präsident Felix Hufeld Ende März kommissarisch.

(Foto: Uta Wagner für Handelsblatt)

Bonn Schon oft wurde die Konsolidierung der deutschen Bankenlandschaft beschworen. Die Finanzaufsicht Bafin rechnet nun zumindest im öffentlich-rechtlichen Sektor mit einem großen Deal: „Ich erwarte, dass sich bei den Landesbanken etwas tun wird“, sagte Raimund Röseler, der Interimschef und oberster Bankenaufseher der Bafin, dem Handelsblatt. „Meine Hoffnung ist, dass die Fusionsgespräche zwischen zwei Instituten, bei denen die Beteiligten im Frühjahr 2020 die Pausetaste gedrückt haben, bald weitergeführt werden.“

Röseler spielt damit auf die Sondierungen zwischen Deka und Helaba an, die im März 2020 wegen der Coronakrise für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt wurden. Innerhalb des Sparkassensektors sahen viele Beteiligte eine Fusion der Institute jedoch schon zuvor kritisch.

Röseler glaubt dennoch an ein Gelingen des Zusammenschlusses. „Nach meiner Wahrnehmung befürwortet die Mehrheit der Sparkassen eine Konsolidierung des Landesbankensektors“, sagte der 59-Jährige. „Wir als Finanzaufsicht sind für alle Möglichkeiten offen und reden gern mit allen Beteiligten, um Vor- und Nachteile aller Optionen abzuwägen.“

Mit Blick auf Zinsplattformen, die Tages- und Festgeldangebote verschiedener Banken vermitteln, prüft die Bafin eine schärfere Überwachung. Dabei könnte die Aufsicht die Banken stärker in die Pflicht nehmen. „Es ist denkbar, dass wir die Vermittlung von Einlagen für Banken künftig wie eine Auslagerung einer Dienstleistung behandeln“, sagte Röseler. Finanzinstitute hätten dann die Pflicht, ihre Partnerunternehmer einer genauen Kontrolle zu unterziehen.

Die Zinsplattformen stehen seit der Pleite der Greensill Bank in der Kritik, weil sich das kollabierte Bremer Geldhaus auch über Zinsplattformen Mittel besorgt hatte. „Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass sich gerade schwächere Banken über solche Plattformen sehr schnell mit sehr viel Liquidität vollsaugen“, warnt der Bankenaufseher.

Seit dem Rückzug von Ex-Bafin-Präsident Felix Hufeld Ende März leitet Röseler die Behörde interimistisch. Anfang August übernimmt dann der neue Präsident Mark Branson.

Der Umbau der Bafin nach dem Wirecard-Skandal hat jedoch bereits begonnen – und trägt aus Sicht von Röseler erste Früchte. „In der Bafin arbeiten einzelne Ressorts wie die Banken- und Wertpapieraufsicht oder die Geldwäscheprävention heute enger zusammen“, berichtet er. Auch die sogenannte Taskforce, eine Art schnelle Eingreiftruppe für kritische Fälle, kam kürzlich erstmals bei einer Bank zum Einsatz.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Im Bankensektor schwindet anderthalb Jahre nach dem Ausbruch von Corona langsam die Unsicherheit über die Folgen der Pandemie. Werden wir jetzt bald den lange erwarteten Start der europäischen Bankenkonsolidierung mit großen internationalen Fusionen erleben?
Bei den Großbanken erwarte ich keine Konsolidierungswelle. Vielleicht gibt es mal den einen oder anderen Übernahmeversuch. Große grenzüberschreitende Fusionen mit deutscher Beteiligung halte ich aktuell allerdings für sehr unwahrscheinlich. Mit mir hat zumindest schon lange kein potenzieller ausländischer Käufer mehr gesprochen.

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Wie sieht es bei kleineren Instituten und den Landesbanken aus?
Es gibt jedes Jahr mehrere Fusionen von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken – dieser Trend wird weitergehen. Ich erwarte auch, dass sich bei den Landesbanken etwas tun wird. Meine Hoffnung ist, dass die Fusionsgespräche zwischen zwei Instituten, bei denen die Beteiligten im Frühjahr 2020 die Pausetaste gedrückt haben, bald weitergeführt werden.

Sie meinen die Gespräche zwischen Deka und Helaba. Innerhalb des öffentlich-rechtlichen Sektors glauben viele allerdings nicht, dass es zu einer solchen Fusion kommt.
Natürlich handelt es sich um einen komplexen Zusammenschluss. Aber nach meiner Wahrnehmung befürwortet die Mehrheit der Sparkassen eine Konsolidierung des Landesbankensektors. Wir als Finanzaufsicht sind für alle Möglichkeiten offen und reden gern mit allen Beteiligten, um Vor- und Nachteile aller Optionen abzuwägen.

„Nach meiner Wahrnehmung befürwortet die Mehrheit der Sparkassen eine Konsolidierung des Landesbankensektors“, sagt Röseler. Quelle: dpa
Sparkassen-Logo

„Nach meiner Wahrnehmung befürwortet die Mehrheit der Sparkassen eine Konsolidierung des Landesbankensektors“, sagt Röseler.

(Foto: dpa)

Das dominierende Thema im öffentlich-rechtlichen Sektor ist der Umbau des Sicherungssystems. Neben der Einlagensicherung sollen die Institute auf Druck von EZB und Bafin ab 2025 weitere fünf Milliarden Euro in einen neuen Topf zur Rettung kriselnder Institute einzahlen. Ist das System aktuell unterfinanziert?
Nein. Die vorhandenen Mittel sind aber sowohl für die Zwecke der Einlagensicherung als auch die Stützung anderer Gruppenmitglieder gedacht. Andere Institutssicherungssysteme in Europa haben für Stützungsmaßnahmen zusätzliche Töpfe, deren Volumen 0,5 Prozent der Risikopositionen der beteiligten Banken entsprechen. Das ist die Benchmark. Für die Leistungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Sicherungssystems wäre ein solcher Extratopf elementar. Zudem braucht es bessere Strukturen, damit die Sparkassenorganisation bei Notfällen schneller entscheiden kann.

Wegen des geforderten Umbaus sind im öffentlich-rechtlichen Sektor Grabenkämpfe über die Lastenverteilung zwischen den einzelnen Instituten ausgebrochen. Wie hoch ist aus Ihrer Sicht die Wahrscheinlichkeit, dass der Haftungsverbund von Landesbanken, Sparkassen und Landesbausparkassen deshalb zerbricht?
Die Meinungsführer in der Sparkassenorganisation haben verstanden, dass ohne eine Reform des Sicherungssystems die Verbundprivilegien gefährdet wären. Das hätte beispielsweise Auswirkungen auf die Eigenkapitalunterlegung von Krediten innerhalb der Gruppe. Auch bei den Mandaten gäbe es stärkere Beschränkungen. Die Landesbanken müssten sich auf eine Herabstufung durch die Ratingagenturen einstellen. Daran kann niemand Interesse haben.

Manche Sparkassenmanager und Politiker haben den Eindruck, die EZB wolle mit ihren Forderungen zum Umbau des öffentlich-rechtlichen Sicherungssystems auch einer europäischen Einlagensicherung den Weg bereiten.
Beide Themen haben nichts miteinander zu tun. Bei der europäischen Einlagensicherung vertrete ich im Übrigen eine andere Meinung als manche Kollegen in der EZB. Aus meiner Sicht müssen zunächst die Risiken im europäischen Bankensystem weiter abgebaut werden. In vielen Ländern haben die Institute noch zu viele ausfallgefährdete Kredite in den Bilanzen, und es gibt noch einen zu starken Konnex zwischen Banken und Staaten.

Andere Länder entgegnen, die deutschen Banken seien im europäischen Vergleich schwach und würden unter einem gemeinsamen Topf nicht leiden, sondern davon profitieren.
Das sehe ich anders. Die deutschen Einlagensicherungssysteme sind stabil und genießen das Vertrauen der Kunden. Das ist wichtig, denn Misstrauen in die Leistungsfähigkeit der Einlagensicherung wäre verheerend für die Finanzstabilität. Ich warne deshalb vor Experimenten in diesem sensiblen Themenbereich.

Ihren letzten großen Einsatz hatte die private Einlagensicherung in Deutschland gerade erst nach der Pleite der Greensill Bank. Das Institut hat vorher unter anderem über Zinsplattformen viel Geld von Privatanlegern eingesammelt. 
Wir prüfen, ob und wie wir das Geschäft von Zinsplattformen strenger überwachen können. Denn grundsätzlich besteht die Gefahr, dass sich gerade schwächere Banken über solche Plattformen sehr schnell mit sehr viel Liquidität vollsaugen.

Mit welchen Optionen befassen Sie sich?
Wir sehen uns an, wie Zinsplattformen in anderen Jurisdiktionen reguliert werden, und können uns gut vorstellen, einiges davon auf deutscher oder europäischer Ebene zu übernehmen. Letztendlich geht es darum, die Vorteile und Nachteile dieser Plattformen für den Markt und den Verbraucher zu verstehen und im Sinne der Finanzstabilität die Risiken zu begrenzen. Das ist natürlich entsprechend komplex, und konkrete Vorschläge sind noch in Arbeit.

Überlegen Sie auch, den Zinsplattformen selbst genauer auf die Finger zu schauen?
Auch das prüfen wir. Es ist denkbar, dass wir die Vermittlung von Einlagen für Banken künftig wie eine Auslagerung einer Dienstleistung behandeln. Finanzinstitute hätten dann – genauso wie bei der Nutzung von Cloud-Angeboten oder IT-Dienstleistern – die Verpflichtung, ihre Partnerunternehmer einer genauen Kontrolle zu unterziehen.

Lassen Sie uns über die Lage der deutschen Banken sprechen. Wie steckt die Branche Corona, Negativzinsen und das BGH-Urteil zu Bankgebühren weg?
Was die Corona-Folgen angeht, können wir allmählich Entwarnung geben. Die Pandemie hat sich nicht so schlimm ausgewirkt, wie man befürchten konnte. Die großen systemrelevanten Banken haben für dieses Jahr mit Wertberichtigungen in Höhe von sechs Milliarden Euro geplant. Nach den ersten vier Monaten des Jahres sind jedoch erst Wertberichtigungen in Höhe von wenigen Hundert Millionen Euro angefallen. Die tatsächlichen Kreditausfälle liegen bislang also deutlich unter den budgetierten. Das ist ein gutes Signal.

Die Bafin prüft nach der Greensill-Pleite eine strengere Überwachung von Zinsplattformen. „Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass sich gerade schwächere Banken über solche Plattformen sehr schnell mit sehr viel Liquidität vollsaugen.“ Quelle: dpa
Logo der Greensill Bank in Bremen

Die Bafin prüft nach der Greensill-Pleite eine strengere Überwachung von Zinsplattformen. „Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass sich gerade schwächere Banken über solche Plattformen sehr schnell mit sehr viel Liquidität vollsaugen.“

(Foto: dpa)

Könnte es sein, dass das dicke Ende noch kommt?
Nicht in der Fläche. Es wird aber bestimmt das eine oder andere Institut geben, das Probleme bekommt. Aber das trifft nicht den Bankenmarkt als Ganzes. Die staatlichen Rettungsprogramme haben sehr viel abgefedert.

Eine negative Überraschung für den Sektor war dagegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Er hat entschieden, dass Banken Gebühren ohne die aktive Zustimmung ihrer Kunden nicht erhöhen dürfen. Im Mai warnten Sie, für die Institute stünde deshalb im schlimmsten Fall die Hälfte ihres Jahresüberschusses im Feuer. Wie ernst ist die Lage?
Das BGH-Urteil tut den Banken sehr weh. Aber ich gehe mittlerweile nicht mehr von dem Worst-Case-Szenario aus. Wir rechnen damit, dass die Institute weniger Gebühren zurückbezahlen müssen als anfangs befürchtet.

Gebührenerhöhungen sind nun aber schwieriger umzusetzen.
Das ist auf jeden Fall der größere Effekt. Noch wichtiger ist die Frage, auf welches Preisniveau die Banken zurückfallen: Sind es die Konditionen von vor drei Jahren? Oder das Preisniveau bei der Kontoeröffnung? Das ist noch offen.

Über welche Summen reden wir?
Das ist schwer zu sagen. Uns liegen zwar erste Schätzungen vor, aber eine Hochrechnung ist noch nicht möglich. Daher starten wir in diesem Monat Workshops mit einzelnen Banken zu dem Thema und haben zusätzlich etwa 100 Institute um ihre Einschätzung gebeten. Man kann aber jetzt schon sagen, dass es für die Banken teuer wird. In Einzelfällen kann es tatsächlich um die Hälfte des Jahresüberschusses gehen, die Spannweite ist aber sehr, sehr groß.

Sehen Sie politischen Handlungsbedarf?
Grundsätzlich muss es Banken weiterhin möglich sein, ihre Preise an neue Bedingungen anzupassen.

Verbraucherschützer klagen, die meisten Banken spielten auf Zeit und hätten noch keine Rückzahlungen veranlasst. Wie lange lässt die Bafin das noch durchgehen?
Manche Banken haben im zweiten Quartal komplett auf Gebühren verzichtet. Andere haben die bisherigen Preise in Rechnung gestellt, den Kunden aber mitgeteilt, dass zu hohe Gebühren automatisch zurückerstattet werden. Bis zum nächsten Quartalsabschluss Ende September sollten sich die Banken um eine Lösung bemühen.

Falls das nicht klappt, müssen Banken zum 1. Oktober also mit einer Allgemeinverfügung der Bafin rechnen, die sie zur Rückerstattung der Gebühren verdonnert?
Wir schauen jetzt erst mal, wie die Banken reagieren, und werden die Situation dann neu bewerten.

Die EZB-Stresstestergebnisse werden an diesem Freitag veröffentlicht. Bei der letzten Belastungsprobe haben deutsche Banken nicht gut ausgesehen, NordLB und Deutsche Bank waren im Tabellenkeller. Wie sieht es dieses Jahr aus?
Ich darf zu den Ergebnissen vorab nichts sagen. Aber Sie sehen mich hier relativ entspannt sitzen.

Die Finanzaufsicht Bafin gab beim Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters kein gutes Bild ab – und wird deshalb grundlegend umgebaut. Quelle: Reuters
Wirecard-Zentrale

Die Finanzaufsicht Bafin gab beim Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters kein gutes Bild ab – und wird deshalb grundlegend umgebaut.

(Foto: Reuters)

Von Entspannung kann beim Fall Wirecard keine Rede sein. Der Skandal war für die Bafin eine Zäsur. Welche konkreten Folgen hatte der Schock?
Die heftige Kritik hat schon Spuren hinterlassen. Dank der angestoßenen Reform der Finanzaufsicht und der Berufung von Mark Branson zum neuen Bafin-Präsidenten hat sich die Stimmung in den vergangenen Monaten jedoch merklich gebessert. Wir werden eine neue, aktivere Aufsichtskultur leben. Und viele Mitarbeiter freuen sich darauf.

Welche Lehren haben Sie bisher aus dem Kollaps des Münchener Zahlungsdienstleisters gezogen? Reichen die zusätzlichen Mitarbeiter und Kompetenzen, um ein Wirecard 2.0 zu verhindern?
Bei Wirecard war bekanntlich massive kriminelle Energie im Spiel – und davor ist man nie gänzlich gefeit. Aber grundsätzlich hat sich bereits einiges geändert. In der Bafin arbeiten einzelne Ressorts wie die Banken- und Wertpapieraufsicht oder die Geldwäscheprävention heute enger zusammen. Die Bafin erhält eine Vielzahl von Hinweisen. Mit der angestoßenen Reform wird es nun leichter, aus einzelnen Hinweisen ein aussagekräftiges Gesamtbild zu gewinnen.

Hat der neue Ansatz bereits Früchte getragen?
Ja, die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen ist deutlich intensiviert worden. Beispielsweise haben wir für eine Reihe von Instituten Teams aus Bankenaufsehern und Geldwäscheexperten gebildet, die gemeinsam verantwortlich sind. Ich bin sicher, dass weitere solcher Teams folgen werden. Und wir haben gerade erste Elemente unserer neuen Taskforce getestet.

…eine Art schnelle Eingreiftruppe für kritische Fälle.
Sie kam bei einer Bank zum Einsatz. Dort hatten wir eine Sonderprüfung angeordnet, und diese ließ uns an der Werthaltigkeit der Kredite zweifeln. Um weitere Informationen zu erhalten, haben wir mit Unterstützung der zukünftigen Taskforce eine Vor-Ort-Prüfung gestartet. Diese hat unseren Verdacht bestätigt, dass die Bank die Risiken aus dem Kreditgeschäft nicht richtig dargestellt hat.

Manchmal scheint es der Bafin schlicht an Branchenexpertise zu fehlen, gerade wenn es um ungewöhnlichere Geschäftsmodelle geht.
Wir haben erkannt, dass wir besondere Geschäftsmodelle genauer analysieren müssen. Traditionelle Kennziffern wie Eigenkapitalquoten oder Liquiditätszahlen bilden das mit besonderen Geschäftsmodellen verbundene Risiko häufig nur unzureichend ab. Deshalb haben wir eine Fokusaufsicht eingeführt. Das Pilotprojekt mit neun Instituten haben wir am 15. Juli beendet. Nun bauen wir die zuständige Mannschaft aus und ordnen mehr Institute dieser speziellen Aufsichtsform zu.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass Warnsignale – wie verdächtig hohe Margen im Fall Wirecard – künftig nicht mehr unerkannt bleiben.
Im Moment haben wir eine Bank im Blick, die in der Immobilienfinanzierung angeblich Margen von mehreren Prozentpunkten erzielt. Als ich das gesehen habe, habe ich sofort Alarm geschlagen. Aber es genügt nicht, dass wir auf so etwas per Zufall stoßen. Deshalb investieren wir in Datenanalyse, damit bei solch auffälligen Werten künftig systematisch die Alarmglocken schrillen.

Wie gehen Sie mit Hinweisen von Shortsellern wie Fraser Perring um, die Ihre Behörde im Fall Wirecard nicht ernst genug genommen hat?
Shortseller haben meist ein Motiv, wenn sie etwas kundtun. Wir müssen dies bei unserer Tätigkeit berücksichtigen und mit ihnen reden. Um den Austausch mit Marktteilnehmern zu systematisieren und zu pflegen, bauen wir gerade eine Market Contact Group auf. Außerdem wollen wir durch Optimierung der Prozesse sicherstellen, dass wir jedem Hinweis konsequent nachgehen, wir die maximale Erkenntnis daraus ziehen und dabei risikoorientiert vorgehen. Das ist leider in der Vergangenheit nicht immer mit ausreichender Intensität geschehen.

Im Fall Grenke Leasing hat die Bafin 2020 schnell auf die Vorwürfe von Fraser Perring reagiert und eine Sonderprüfung eingeleitet. Sind Sie dankbar, dass er Alarm geschlagen hat?
Wir haben durch ihn Hinweise bekommen, die wir vorher nicht hatten. Das zeigt, dass auch Informationen von Shortsellern für die Aufsicht hilfreich sein können.

Die Bafin hat festgestellt, dass der Jahresabschluss 2019 von Grenke fehlerhaft war. Welche Konsequenzen hat das für das Unternehmen?
Zu aufsichtlichen Maßnahmen einzelne Unternehmen betreffend äußern wir uns grundsätzlich nicht.

Für Schlagzeilen sorgte zuletzt Ihr Personalratsvorsitzender Andreas Wolter, der strengere Regeln für private Wertpapiergeschäfte von Bafin-Mitarbeitern scharf kritisierte. Wie stehen Sie dazu?
Ich bin bei dem Thema ein Hardliner und habe eine klare Botschaft: Für jemanden, der mit Aktien spekulieren will, ist die Bafin der falsche Arbeitgeber. Wenn ich mit Banken zum Beispiel über ihr Kreditportfolio spreche, bekomme ich permanent Insiderinformationen – auch über Industrieunternehmen. Viele Beschäftigte sind ebenfalls für strikte Regeln. Ihnen liegt die Integrität der Bafin ebenso am Herzen wie mir.

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  • Die Welt will betrogen sein, gewiss. Sie wird sogar bedrohlich böse wenn Du es nicht tust.

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