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KommentarAKK und Lindner legen ein eklatantes Führungsversagen an den Tag

Mit seinem angekündigten Rücktritt hat Thomas Kemmerich die einzig richtige Entscheidung getroffen. Zurück bleiben nur Verlierer: die Chefs von CDU und FDP sowie die Demokratie. Martin Greive 06.02.2020 - 16:33 Uhr

Wie FDP-Chef Christian Lindner konnte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer das Wahldebakel in Thüringen nicht aufhalten.

Foto: AP

Nach gut 24 Stunden ist der Erfurter Spuk vorüber. Die thüringische FDP-Fraktion hat einen Antrag auf Neuwahl gestellt, FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich will sein Amt aufgeben. Es ist die einzige logische Entscheidung, nachdem Union und FDP am Vortag erstmals mit Stimmen der AfD einen Mann einer Fünf-Prozent-Partei aus ihren Reihen zum Ministerpräsidenten gewählt haben.

Doch der Kollateralschaden, den die 24 Stunden von Erfurt zur Folge haben werden, ist riesig: für die demokratischen Parteien, das Parteiensystem und das Vertrauen der Bürger in ihre Politiker. Das alles wurde innerhalb eines Tages fundamental beschädigt. Es gibt nur einen Gewinner: die AfD.

So steht zu befürchten, dass der Ausgang der Neuwahl in Thüringen keineswegs das gewünschte Ergebnis bringen wird, das die demokratischen Parteien stärkt und für stabile Mehrheitsverhältnisse sorgt.

Auch wenn die Union gute Gründe hatte, nicht mit der Linken zu koalieren, dürfte es vielen Wählern in Thüringen schon schwergefallen sein nachzuvollziehen, warum eigentlich keine stabile Regierung gebildet wurde, wenn dies rechnerisch doch möglich gewesen wäre.

Durch die Vorkommnisse des gestrigen Tages erscheint Politik jetzt aber auch noch als widerwärtiges Spiel, in dem die alten Parteien für ihre eigenen Machtansprüche sogar das Tabu brechen, mit Rechtsextremen wie Höcke gemeinsame Sache zu machen. Schlimmer geht’s nicht.

Auch wenn durch die Vorkommnisse eine neue Lage entstanden ist, könnte bei vielen Wählern ein verheerender Eindruck haften bleiben: Die alten Parteien lassen einfach so lange wählen, bis ein ihnen genehmes Ergebnis herauskommt. Am Ende spielt das nur der AfD in die Karten.

Eklatantes Führungsversagen der Bundesvorsitzenden

Dass man überhaupt in diese Lose-lose-Situation gekommen ist, liegt neben dem unglaublichen Verhalten der thüringischen Landesverbände von Union und FDP auch in der Verantwortung ihrer Bundesvorsitzenden, die ein eklatantes Führungsversagen an den Tag gelegt haben – was für beide Parteichefs noch schwerwiegende Konsequenzen haben könnte.

FDP-Chef Christian Lindner hat das sich abzeichnende Debakel erst nicht gestoppt, dann sogar die „geheime Wahl“ noch verteidigt, mit der Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Dabei hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer Lindner zuvor gebeten, dafür zu sorgen, dass genau der Fall nicht eintritt, der sich dann ereignete: dass sein Mann mit Stimmen der AfD gewählt wird.

An Lindners Führungsqualitäten gab es schon nach dem Platzen von Jamaika manchen Zweifel. Nach Thüringen werden sich etliche Liberale fragen, ob Lindner eigentlich noch der richtige Parteichef ist. Vor allem, wenn die FDP bei den Wahlen in Hamburg und den Neuwahlen in Thüringen als Quittung für Thüringen aus den Landtagen fliegen sollte.

Die andere große Verliererin ist CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer. Wie Lindner konnte auch sie das Wahldebakel in Thüringen nicht aufhalten, ihre Autorität reicht offenbar nicht bis Erfurt. Ihre Gegner wie Friedrich Merz werden das als weiteren Beleg für ihre mangelnde Führungsstärke werten und mit dem Thüringen-Debakel intern Stimmung machen, um die Parteichefin als Kanzlerkandidatin zu verhindern.

Und die Probleme in Thüringen lösen sich mit der Neuwahl für Kramp-Karrenbauer ja auch nicht in Luft auf. Die Parteichefin muss weiterhin mit dem Problem kämpfen, dass Teile ihres CDU-Landesverbands einer Zusammenarbeit mit der AfD nicht abgeneigt sind.

Verwandte Themen Thüringen Christian Lindner FDP CDU AfD Annegret Kramp-Karrenbauer

Die Koalition in Berlin würde mit den Neuwahlen in Thüringen vorerst Bestand haben. Für die SPD bestünde dann kein Anlass mehr, die Große Koalition aufzukündigen. Das wäre aber auch schon die einzige Gewissheit. Die politische Zukunft Thüringens ist genau wie die Machtverhältnisse in der Union und der Führungsanspruch Christian Lindners unklar. Die Republik geht noch unruhigeren politischen Zeiten entgegen.

Mehr: Verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen in unserem Newsblog.

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