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Interview Start-up-Investor Klaus Hommels kritisiert Staatshilfe für Tui und Adidas

Der ehemalige AOL-Manager warnt vor zu viel Abhängigkeit von den USA – und will in Brüssel Lobbyarbeit für die Start-up-Szene betreiben.
23.04.2020 - 09:51 Uhr Kommentieren
„Es gibt jetzt die Chance, in Brüssel die Stimme der Start-ups hörbar zu machen und dort zu erklären, welche Art Regulierung wir nach der Krise brauchen.“ Quelle: Jens Gyarmaty / VISUM
Klaus Hommels

„Es gibt jetzt die Chance, in Brüssel die Stimme der Start-ups hörbar zu machen und dort zu erklären, welche Art Regulierung wir nach der Krise brauchen.“

(Foto: Jens Gyarmaty / VISUM)

Hamburg Der Risikokapitalgeber Klaus Hommels kritisiert Staatshilfen für börsennotierte Konzerne wie Tui und Adidas. Der Staat fördere die Konzerne „mit einem Kredit, obwohl die ja auch einfach eine Kapitalerhöhung machen könnten, bei denen die meist ausländischen Bestandsinvestoren mitinvestieren müssten“, sagte er dem Handelsblatt. „Bei den börsennotierten Konzernen schützen wir die ausländischen Investoren. Hier kommt Geld rein, ohne dass Altinvestoren reinvestieren.“

Hommels unterstützt die europäische Start-up-Lobby United Tech of Europe. „Wir wollen die Start-ups schützen, nicht die Risikokapitalgeber. Daher ist eine Fördermaßnahme sinnvoll, bei der die Risikokapitalgeber eigenes Geld nachschießen, das dann vom Staat aufgestockt wird“, sagte der Gründer des Risikokapitalgebers Lakestar.

Doch es könnten nicht alle jungen Unternehmen überleben: „Ich denke, einige Start-ups werden sterben, die sowieso nur noch künstlich am Leben gehalten wurden. Dafür konzentriert man sich auf die aussichtsreichen. Wenn der Staat solche Runden noch aufstockt, könnte in der Krise sogar mehr Geld in bessere Projekte fließen.“

Hommels fordert staatliche Co-Investments in Zusammenarbeit mit der Branche. „Daher brauchen wir auch in Brüssel eine relevante Interessenvertretung mit einer eigenen Ethik, die von sich aus dafür sorgt, dass keine Trittbrettfahrer auftreten“, sagte er. Einzelne europäische Risikokapitalgeber versuchten jedoch, die Situation für sich auszunutzen. „Einige verhalten sich unmöglich. Da wollen wir auch auf Verbandsebene gegenhalten. Es geht uns nicht darum, Krisengewinner zu sein“, sagte der 53-Jährige.

Für Gründer sieht er in der Krise die Chance, sich auf echte Probleme zu konzentrieren. Damit könnten sie Europa helfen, bei kritischer Infrastruktur unabhängiger von den USA zu werden. „Wir können uns doch nicht bei allen systemrelevanten Sachen auf Amerikaner verlassen. Überlegen Sie doch mal: Die Amerikaner könnten uns doch jederzeit die Infrastruktur für die Kreditkarten abstellen“, warnt Hommels.

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Wäre das Biotech-Unternehmen Curevac nicht von Deutschen wie dem SAP-Mitgründer Dietmar Hopp finanziert, hätten uns die Amerikaner diesen Impfstoffentwickler aus den Händen gerissen. Das ist eine Erkenntnis, die jetzt endlich durchdringt: Wir müssen die Finanzierung unserer Wirtschaft selbst machen.“

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Herr Hommels, haben Sie selbst Investitionsrunden wegen der Krise verschoben oder abgesagt?
Wichtigste Regel für mich ist: Eine Zusage, auch mündlich, ist einzuhalten. Das ist ein Kulturgut, denn wir kommen aus dem Land der guten Kaufleute. Wir schauen uns auch ganz normal weiter neue Gelegenheiten an.

Da gibt es kein Zögern?
Naja, ein No-Go ist, wenn Gründer mit Unterlagen aus Vorkrisen-Zeiten ankommen, die sie nicht an die neue Zeit angepasst haben. Darüber hinaus kommt jetzt bei allen ein Aussiebeprozess: Noch vor wenigen Monaten wurde unkritischer finanziert. Jetzt gibt es eine härtere Selektion.

Ist das schlecht?
Im Gegenteil: Das bringt Klarheit. Das ist immer so in schweren Zeiten. In der Finanzkrise beispielsweise sind einige der heute ganz großen Firmen gebaut worden – wie Zalando, Uber und Airbnb. Warum? Weil sich ihre Ideen an den wirklichen Bedürfnissen orientiert haben, die in harten Zeiten viel offensichtlicher sind. Für solche Ideen reichen dann auch bescheidenere Mittel.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuell diese wirklichen Bedürfnisse?
Das Thema Helfen – so etwas wie Nebenan.de. Außerdem gehen die Lieferdienste durch die Decke. Vor allem aber bekommen Risikokapitalgeber eine neue Rolle. Wäre das Biotech-Unternehmen Curevac nicht von Deutschen wie dem SAP-Mitgründer Dietmar Hopp finanziert, hätten uns die Amerikaner diesen Impfstoffentwickler aus den Händen gerissen. Das ist eine Erkenntnis, die jetzt endlich durchdringt: Wir müssen die Finanzierung unserer Wirtschaft selbst machen.

Müssen wir nicht mit weniger Finanzierungsrunden aus Übersee allein schon deshalb rechnen, weil Reisen derzeit kaum möglich sind?
Andererseits ist die Akzeptanz von Video-Anrufen gestiegen. Vor Corona hätte ich gesagt, zunächst sollte man sich schon persönlich getroffen haben – das ist immer besser, weil man ein Gespür dafür bekommt ob es auch auf der menschlichen Ebene passt. Mittlerweile ist es dagegen total akzeptiert, sich nur virtuell zu treffen.

Würden Sie einen Deal schließen, wenn Sie die Leute nur per Video kennen?
Mittlerweile ja.

Sie haben – wahrscheinlich ebenfalls per Video-Calls – Start-up-Verbände aus mehreren europäischen Ländern zusammengebracht und fordern mehr Abstimmung bei den aktuellen Rettungsplänen. Warum?
Viele kleine Verbände werden in Brüssel nicht gehört, daher müssen wir dort mit einer Stimme sprechen.

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Gelingt diese Lobbyarbeit Ihrer Branche nicht bereits viel besser als in früheren Krisen? Gerade in Deutschland sind ja Start-ups sehr früh in den Rettungsschirmen berücksichtigt worden.
Ja, das stimmt. Über den Start-up-Verband haben wir unter der Führung von Christian Miele mit dem Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, dem Digital-Beauftragten Thomas Jarzombek und dem Chef der KfW Capital, Dr. Jörg Goschin, Ideen ausgetauscht. Die drei machen einen super Job in dieser schwierigen Situation. Allerdings sind die Hilfen für Start-ups im Grunde keine staatlichen Programme, sondern beruhen auf Initiativen von Einzelpersonen. So wie Kukies und Jarzombek in Deutschland treiben das auch in anderen europäischen Ländern einzelne Politiker. Für sie wollen wir als Verbände auf europäischer Ebene eine Übersicht und Ansprechpartner geben.

Wie fangen Sie damit an?
Als erstes haben wir eine Übersicht über die jeweiligen nationalen Programme online gestellt. Wir wollen nicht werten, sondern einen Vergleich und Ideenaustausch ermöglichen.

Warum braucht es das?
Wir brauchen es, um Mitnahmeeffekte zu verhindern. Sonst kann kein Politiker einschätzen, was relevante Forderungen sind. Daher brauchen wir auch in Brüssel eine relevante Interessenvertretung mit einer eigenen Ethik, die von sich aus dafür sorgt, dass keine Trittbrettfahrer auftreten.

Sehen Sie Schwarze Schafe in der Branche?
Ja, es gibt auch in Deutschland Risikokapitalgeber, die sich in der Krise nicht mehr an bestehende, schriftliche Finanzierungszusagen halten. Einige verhalten sich unmöglich. Da wollen wir auch auf Verbandsebene gegenhalten. Es geht uns nicht darum, Krisengewinner zu sein. Daher brauchen die Hilfsprogramme auch einige Zeit, denn es ist sehr kompliziert, Mitnahmeeffekte zu verhindern.

Trotzdem gibt es Kritik an Staatshilfe für Start-up-Finanzierer. Schließlich steckt in der Anlageklasse Risikokapital bereits das Wort Risiko – und jeder Anleger sollte damit rechnen, seinen kompletten Einsatz verlieren zu können.
Vordergründig ist das einsichtig, aber eigentlich pure Polemik. Schauen Sie doch mal, wer wirklich Milliarden an Staatshilfe bekommen soll: die börsennotierten Konzerne Adidas und Tui. Dahinter stehen aber kaum noch deutsche Aktionäre. Das fördert der Staat mit einem Kredit, obwohl die ja auch einfach eine Kapitalerhöhung machen könnten, bei denen die meist ausländischen Bestandsinvestoren mitinvestieren müssten. Bei den börsennotierten Konzernen schützen wir also die ausländischen Investoren. Hier kommt Geld rein, ohne dass Altinvestoren reinvestieren. Wir hingegen wollen die Start-ups schützen, nicht die Risikokapitalgeber. Daher ist eine Fördermaßnahme sinnvoll, bei der die Risikokapitalgeber eigenes Geld nachschießen, das dann vom Staat aufgestockt wird.

Könnten nicht auch die Risikokapitalgeber einfach ausreichend eigenes Geld nachschießen, das ja weiterhin in den meisten Fonds vorhanden ist?
Wir planen mit verschiedenen Szenarien, wenn wir Start-ups finanzieren. Dabei ist immer auch eine Reserve kalkuliert. Aber solch ein Lockdown-Fall, in dem Umsatz monatelang null ist, ist natürlich nicht einkalkuliert und daher haben wir technisch gar nicht das Geld dafür zur Verfügung. Die Start-ups brauchen daher Staatshilfe, um einige Monate Pause unbeschadet überstehen zu können – allein für diese Sondersituation.

Hilft das nicht auch Ihnen als Risikokapitalgeber?
Nein, es geht um das Überleben innovativer Gründungen. Ich selbst könnte mich einfach ganz entspannt zurücklehnen. Wir gehen aber voll rein, helfen den Firmen, machen 1000 Sachen. Wir überlegen sogar, der KfW Capital personell zu helfen. Eigentlich ist es doch schön, dass wir mit Mitstreitern wie Holtzbrinck Ventures und Eventures jetzt gemeinsam etwas tun können. Das ist eine saubere Veranstaltung.

Sie plädieren schon lange dafür, dass die europäischen Start-ups weniger auf Geld aus den USA und Asien angewiesen sein sollen. Glauben Sie, dass die Renationalisierungstendenzen in der Coronakrise etwa mit geschlossenen Grenzen das Thema mehr ins allgemeinere Bewusstsein bringen?
Ja, denn wir sehen jetzt, was so ein Ausverkauf bedeutet: Wenn wir in Europa nicht eigenständig Start-ups fördern könnten, hätte uns Amerika aktuell bei Curevac die deutsche Impfstoff-Erfindung entwenden können. Dies geht uns alle an und trägt sicher zum allgemeinen Bewusstsein des Handlungsbedarfs bei.

Die Amerikaner bestreiten das. Und wäre das nicht sowieso ein Ausnahmefall, der alle 100 Jahre einmal vorkommt?
Nein, das betrifft auch Künstliche Intelligenz, Klimathemen und viele andere systemrelevante Felder. Wollen wir etwa bei der Bekämpfung der Pandemie von Bewegungsdaten von Google und Apple abhängig sein? Wir können uns doch nicht bei allen systemrelevanten Sachen auf Amerikaner verlassen. Überlegen Sie doch mal: Die Amerikaner könnten uns doch jederzeit die Infrastruktur für die Kreditkarten abstellen.

Steigt durch die Krise das Bewusstsein dafür?
Wenn wir da nichts tun, können wir nicht autark handeln und bringen uns in eine technische Abhängigkeit. Das darf nicht passieren.

Nun ist die Idee wirtschaftlicher Autarkie in Zeiten der Globalisierung ja sowieso längst passé, viele Konzerne agieren global diskriminierungsfrei. Wieso sollte das im Start-up-Bereich anders sein?
Es geht mir nicht um Start-ups, sondern um systemrelevante Infrastrukturen. Die jedoch werden auch von Start-ups entwickelt.

Die Alternative wäre eine noch stärkere Verankerung von Freihandel, so dass nationale Egoismen ausgeschlossen werden – etwa eine Neuauflage des gescheiterten transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP.
Da hätte ich Ihnen recht gegeben, als der Präsident noch Barack Obama hieß. Aber im Moment ist die Politik der Amerikaner nicht verlässlich.

Glauben Sie, dass aus der Krise eine stärkere europäische Gegenantwort etwa im Bereich Start-up-Finanzierung entstehen kann?
Auf jeden Fall. Es gibt jetzt die Chance, in Brüssel die Stimme der Start-ups hörbar zu machen und dort zu erklären, welche Art Regulierung wir nach der Krise brauchen.

Was glauben Sie, wie schnell sich die Situation wieder normalisiert?
Das kann ich nicht sagen – im Moment hängt ja alles davon ab, wie schnell wir eine Impfung bekommen.

Wagen Sie eine Prognose, wie stark der Einbruch wird?

Ich denke, einige Start-ups werden sterben, die sowieso nur noch künstlich am Leben gehalten wurden. Dafür konzentriert man sich auf die aussichtsreichen. Wenn der Staat solche Runden noch aufstockt, könnte in der Krise sogar mehr Geld in bessere Projekte fließen.

Herr Hommels, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr: Die Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern wird für Start-ups zum Problem

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