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Privatsammlung in HamburgKünstler kann man alles fragen

Dominic und Cordula Sohst-Brennenstuhl wägen lange ab, bevor sie sich zum Kauf eines neuen Werks entschließen. Gesucht ist zeitgenössische Kunst, die Fragen provoziert und Horizonte eröffnet.Johannes Wendland 01.07.2024 - 14:19 Uhr
Liebt die Auseinandersetzung mit Kunstwerken, die irritieren: das Hamburger Sammlerpaar Dominic und Cordula Sohst-Brennenstuhl. Foto: Johannes Wendland

Hamburg. Es kann einige Zeit dauern, bis sich das diskussionsfreudige Hamburger Sammlerpaar Dominic und Cordula Sohst-Brennenstuhl für einen Neuankauf entscheidet. In der Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer stieß es vor einigen Jahren auf die monochromen Bilder des polnischen Künstlers Paul Czerlitzki, eines Meisterschülers von Katharina Grosse. „Zunächst waren wir irritiert: Warum macht ein junger Künstler heute Farbfeldmalerei?“, erklärt Dominic Brennenstuhl. „Wir haben Kontakt mit ihm aufgenommen und seine Arbeit über mehrere Jahre verfolgt.“

Fasziniert an diesen Bildern habe sie vor allem der Entstehungsprozess. Die Farbe wird nicht einfach aufgetragen, sondern besteht aus mehreren Schichten, auf die zuletzt Farbe wie ein Nebel über die Leinwand gesprüht wird. Dann setzt sie sich langsam ab. Entsprechend verletzlich sind die Arbeiten, geprägt von Spuren, Schlieren, Verwischungen.

So werden die fragilen Arbeiten auch zu Bildern der vergehenden Zeit, ein Thema, das die Brennenstuhls bereits bei Arbeiten anderer Künstler interessiert hat. Wie bei allen ihren Ankäufen wurde lange nachgedacht, nachgefragt, diskutiert. Irgendwann haben sie dann zugeschlagen, und jetzt hängen zwei Bilder in einem wunderschönen warmen Rotbraun und in Schwarz in ihrem Wohnzimmer.

Ein Objekt des „Fallen-Künstlers“ Andreas Slominski weckt die Neugier

„Jeder Kauf ist das Ende einer langen Beschäftigung, aber auch der Beginn einer neuen Beschäftigung mit dem Werk in unserer Wohnung“, sagt Dominic Brennenstuhl. „Auf diese Weise spiegelt sich auch immer unser eigenes Leben in der Kunst, die wir sammeln.“

Cordula Sohst-Brennenstuhl, die als Fachärztin für Allgemeinmedizin in Hamburg arbeitet, und Dominic Brennenstuhl, der Software für Arztpraxen vertreibt, haben seit 2007 eine spannende Kollektion mit Werken und Werkgruppen von Künstlerinnen und Künstlern zusammengetragen, die überwiegend ihrer eigenen Generation entstammen und zwischen 1970 und 1980 geboren wurden. Früh haben sie Arbeiten von Jorinde Voigt und Alicja Kwade gekauft, bevor der Boom auf dem Markt sie nach oben gespült hat.

Volker Hüllers Bild „Fade Away“ kreist um Vergänglichkeit und vergehende Zeit, ein Thema, das die Sammler Dominic und Cordula Sohst-Brennenstuhl sehr beschäftigt. Foto: Museum Weserburg

Thomas Baldischwyler, Volker Hüller, Annika Kahrs und Rupprecht Matthies setzen einen Hamburger Schwerpunkt in der Sammlung, Monika Michalko und Kazunori Kura zählen zu den jüngeren Positionen. Es sind nicht so viele verschiedene Künstlernamen; doch von allen besitzt das Sammlerpaar mehrere Arbeiten, oft aus verschiedenen Werkphasen.

„Dass wir eine Sammlung haben, ist für uns nicht wichtig, sondern diese begriffliche Festlegung wird eher von außen an uns herangetragen“, erklärt Cordula Sohst-Brennenstuhl. „Uns geht es um die Inhalte und die Auseinandersetzung, nicht um oberflächlichen Besitz.“

Das eigene Leben durch die Kunst reflektieren, sich irritieren und auf neue Schienen setzen lassen und immer wieder offen für neue Fragen sein – das ist es, was das Hamburger Sammlerpaar in der Kunst sucht. Sehr wichtig ist ihm dabei der Kontakt mit den Künstlerinnen und Künstlern, die in der Sammlung vertreten sind. Mit ihnen wird viel gesprochen und auch gefeiert.

Privatmuseum

„Die besten Arbeiten kommen ins Museum“

Künstler könne man alles fragen, sagt Cordula Sohst-Brennenstuhl. Diese Erfahrung hat sie bereits als Kind gemacht. Sie stammt aus einem kunstaffinen Elternhaus. Elisabeth und Gerhard Sohst haben sich als Sammler von Konzeptkunst seit den 1950er-Jahren einen großen Namen gemacht. Der Umgang mit Kunst gehörte für die Tochter zum Alltag.

„Bei uns saßen oft Künstler auf dem Sofa, und ich habe sie einfach gefragt, wenn ich etwas nicht verstanden habe“, sagt Cordula Sohst-Brennenstuhl. „Gleichzeitig habe ich viele Kenntnisse unbewusst mitbekommen.“ Kunst war ein selbstverständlicher Begleiter des Alltags – eine Erfahrung, die heute auch ihre beiden Töchter machen.

Dominic Brennenstuhl ist hingegen erst über die Familie seiner Frau zur zeitgenössischen Kunst gekommen. „Im Esszimmer meiner Schwiegereltern stand ein Stahlrahmen, in dem eine Dachschindel eingefasst war“, erzählt er. „Irgendwann habe ich meinen Schwiegervater gefragt, wann denn das Dach gedeckt werden soll.“ Das Ding war indes kein Baumaterial, sondern ein Objekt des „Fallen-Künstlers“ Andreas Slominski.

Für Leihanfragen offen, weil sich die Sammler den Künstlern verpflichtet fühlen

Brennenstuhls Interesse war schlagartig geweckt – und es stellten sich ihm ganz viele Fragen. In der ansteckenden Begeisterung, mit der Brennenstuhl heute über die Kunst und die Künstler der Sammlung spricht, spiegelt sich eine unermüdliche Neugier und Entdeckerfreude.

Wie stark dies in der Sammlung seinen Niederschlag findet, ist im Wohnzimmer ihrer Eppendorfer Wohnung zu sehen. Die Farbfeldmalerei des Paul Czerlitzki hängt hier neben riesigen Radierungen von Volker Hüller und Objektarbeiten von Jorinde Voigt und Alicja Kwade, die sich alle mit dem Thema Zeit beschäftigen. Eine kuratierte Zusammenstellung aus eigenen Beständen – doch als „Kuratoren“ möchten sich die Sammler nicht sehen. Ein Spiel? Auf keinen Fall, da sind sich beide einig. Eher ein Ausdruck für die Leidenschaft an der inhaltlichen Auseinandersetzung.

2014 wurde die Sammlung erstmals öffentlich in der Bremer Weserburg gezeigt. Seit 2017 ist Dominic Brennenstuhl Mitglied des Stiftungsrats des namhaften Sammlermuseums. Und als der Berliner Galerist Johann König während der Coronapandemie auf Instagram Online-Interviews veröffentlichte, öffneten die Brennenstuhls ihm virtuell die Türen zu ihrer Wohnung.

„Wir hatten uns zunächst gefragt, ob wir überhaupt an die Öffentlichkeit wollen“, sagt Cordula Sohst-Brennenstuhl. „Bestärkt haben uns darin vor allem die Künstler.“ Wenn man Kunst kaufe, gehe man eine Verpflichtung ein, so ihre Überzeugung – für die Arbeiten und für die Künstler gleichermaßen. Deshalb seien die beiden immer offen für Leihanfragen und würden sich auch durch restauratorische Begleitung um den Erhalt der Arbeiten kümmern.

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Dabei ist das mit den Leihgaben eine zwiespältige Sache, wie das Paar einräumt. Immer wieder würden so spürbare Lücken auf Zeit in der Wohnung entstehen, wie Dominic Brennenstuhl sagt: „Wenn an einer Stelle plötzlich eine Arbeit verschwunden ist, ist dort mit einem Mal die ganze Energie weg!“

Arbeiten von Paul Czerlitzki, Alicja Kwade und Jorinde Voigt aus der Sammlung Sohst-Brennenstuhl sind derzeit in der Sammlungsausstellung „So wie wir sind“ in der Bremer Weserburg zu sehen (bis auf Weiteres).

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