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KommentarStaatshaushalt: Alles für uns, Krümel für euch

Die Koalition betreibt eine rücksichtslose Finanzpolitik auf Kosten der nächsten Generation. Der neueste Tiefpunkt ist das Plündern der Reserven.Martin Greive 31.05.2021 - 04:09 Uhr Artikel anhören

Die Bundesregierung denkt nur noch darüber nach, wie sie noch höhere Schulden machen kann.

Foto: AFP

In den Koalitionsverhandlungen 2017 fanden Union und SPD einen Haushalt vor, der sich mit einer prachtvollen Villa vergleichen lässt. Geräumig, stuckverziert und mit tollen Möbeln ausgestattet. Vier Jahre später hat die Koalition diese Villa zu einer Ruine heruntergewirtschaftet. Erst hat sie das Inventar ausgeräumt, und jetzt reißt sie auf den letzten Metern noch die Kupferkabel aus der Wand, um den letzten Cent aus dem Etat zu pressen. Und nein, mit Corona hat das nichts zu tun.

Im Schatten der Krise haben sich die Bundesbürger wenig für die Finanzen des Staates interessiert. In Pandemiezeiten, wenn es um das Überleben von Menschen und Wirtschaft geht, ist das verständlich. Und der Einsatz enormer Mittel zur Krisenbekämpfung, das soll hier noch einmal explizit betont werden, war vollkommen richtig. Doch jetzt, da die Gesundheitskrise abflaut, sollten alle wieder genauer hinschauen, wofür die Politik Geld ausgibt. Mit solider Haushaltsführung hat diese Koalition jedenfalls nur noch wenig am Hut.

Stattdessen betreibt sie rücksichtslos Politik auf Kosten der künftigen Generation, und das gleich doppelt. Sie plündert einerseits Reserven, die für demografisch schlechte Zeiten gedacht waren, und schafft es andererseits in ihrer selbstgerechten Trägheit nicht, den ewigen Investitionsstau im Land aufzulösen. Wenn die nächste Regierung nicht den Schalter umlegt, steht die kommende Generation in einem Gewand da, das an allen Enden zu kurz ist: Weder verfügt sie über Reserven für Investitionen, noch findet sie einen funktionierenden Staat vor.

Die goldenen 2010er-Jahre mit steigenden Steuereinnahmen, die Coronakrise, in der mit immer größeren Summen hantiert wurde, sowie der neokeynesianische Zeitgeist haben zu einem neuen Denken geführt: Geld ist im Überfluss vorhanden, man muss es sich nur besorgen – entweder vom Steuerzahler, über Schulden oder über die Notenbanken. Nur geht bei diesem „Anything goes“ jegliche Prioritätensetzung verloren.

Zu beobachten ist das im Kleinen, etwa beim Nachtragshaushalt, von dem im Corona-Schatten niemand Notiz nahm. Das Geld der Steuerzahler wurde da von den Ministern wie Spielgeld am Pokertisch hin und her geworfen – mit dem Unterschied, dass jeder Spieler immer gewann. Die Familienministerin bekam ein paar Dutzend Millionen mehr, im Gegenzug wurde die Bildungsministerin bedacht. Und für 2022 reservierten sie ihren Häusern auch schon mal über 300 Millionen Euro fest vor.

Sogar die Reserven müssen dran glauben

Der neueste Tiefpunkt aber ist die Politik, Reserven leer zu räumen. Dass Bundesfinanzminister Scholz die 2018 mit viel Tamtam vorgestellte „Demografiereserve“ für die Rente still und leise genau jetzt aus seiner Finanzplanung strich, wo sie hätte befüllt werden sollen, ist das exakte Gegenteil jener nachhaltigen Finanzpolitik, für die er selbst angeblich steht. Allerdings ist das auch konsequent: Neuerdings redet Scholz das Demografieproblem auf fast schon naive Art klein.

Ebenso anrüchig ist der Versuch von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), den Pflegevorsorgefonds für seine Pflegereform zu plündern. Der Fonds soll explizit die Pflegebeiträge für die kommende Generation stabilisieren. Daneben fordert Spahn mal eben einen doppelt so hohen Steuerzuschuss für Gesundheit und Pflege, weil seine Reformen kostenmäßig aus dem Ruder gelaufen sind, er aber nirgends auf die Bremse getreten ist.

Die Grundsätze guter Kaufmannsführung aus seiner Banklehre hat Spahn offenbar vergessen, dafür aber seine Zeit als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium genutzt, um zu lernen, wie man als Minister möglichst viel Geld aus dem Haushalt abzwackt. Dass selbst Politiker wie Spahn und Scholz, die lange eher für Solidität standen, zu solchen Mitteln greifen, zeigt, wie sehr das neue finanzpolitische Denken um sich gegriffen hat. Wer nicht mitzieht, ist von gestern und hat den Schuss nicht gehört.
Gegen etwas höhere Schulden zur Finanzierung echter Investitionen spricht grundsätzlich nichts, aber gegen die geplante Art und Weise schon. Der Plan aller Parteien, öffentliche Investitionsgesellschaften zu gründen und damit die Schuldenbremse zu umgehen, ist mit so vielen Fallen gespickt, dass man davon die Finger lassen sollte. Zugleich bringen all die Investitionsprogramme wenig, solange die Mittel wie bislang in großem Umfang gar nicht abfließen.

Verwandte Themen CDU Deutschland Wirtschaftspolitik Medizin Finanzpolitik

Doch statt möglichst viel Gehirnschmalz in die Frage zu stecken, wie man den Staat besser machen kann, grübeln alle nur darüber nach, auf welche pfiffige Art die Politik trotz Schuldenbremse hohe Schulden machen kann. Damit kommt Deutschland keinen Schritt weiter. Das viele Geld wird nicht verbaut, sondern versickert in der nächsten Mütterrente.

Mehr: Die Zeitenwende: Wie sich das Verhältnis zwischen Staat und Markt grundsätzlich verschiebt

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