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Monika Schnitzer Innovation und Digitalisierung in der Ära Merkel: „Haben es vor allem mit vielfältigen Umsetzungsproblemen zu tun“

Die Infrastruktur in Deutschland ist weiterhin einer große Barriere für Innovationen. Es braucht agilere Politik, um international mithalten zu können.
26.08.2021 - 16:06 Uhr Kommentieren
Gerade deutsche Behörden sind noch nicht digital genug. Quelle: dpa
Digitalisierung

Gerade deutsche Behörden sind noch nicht digital genug.

(Foto: dpa)

Als im November 2005 Angela Merkel als erste Naturwissenschaftlerin ins Kanzleramt einzog, durfte man hoffen, dass die Themen Forschung und Innovation künftig besonders im Fokus stehen würden. Ein besonderes Zeichen dafür war die Einrichtung einer wissenschaftlichen „Expertenkommission Forschung und Innovation“ (EFI) im Sommer 2006, die regelmäßig das deutsche Forschungs- und Innovationssystem begutachten und Handlungsempfehlungen erarbeiten sollte. Den Berichten der EFI nach ist in Merkels Regierungszeit viel erreicht worden, aber es bleibt auch noch jede Menge zu tun.

Welch hohen Stellenwert diese Themen unter Merkel hatten, lässt sich gut am Mittelaufwuchs für die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Entwicklung ablesen. Die Ausgaben des Bundes für diese Bereiche stiegen von 11,1 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 24,2 Milliarden Euro im Jahr 2019. Für 2021 sind 28,9 Milliarden Euro geplant. Damit stiegen die Mittel von 4,3 Prozent des Gesamthaushalts im Jahr 2005 auf 6,8 Prozent im Jahr 2019.

Dies hat dazu beigetragen, das im Jahr 2000 in der Lissabon-Strategie der EU vereinbarte Ziel zu erreichen, innerhalb von zehn Jahren die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf drei Prozent des Bruttoinlandprodukts zu steigern – wenn auch mit fünf Jahren Verspätung. In der Hightech-Strategie 2025 strebt die Bundesregierung die weitere Steigerung dieser Quote auf 3,5 Prozent an.

Trotz aller Fortschritte gibt es aber nach wie vor Defizite im Transfer von Forschung in neue Technologien und Produkte und eine zu starke Konzentration der Forschung und Entwicklung auf einige wenige Branchen, allen voran die Automobilbranche. Bei der Beschaffung setzt der Staat weiterhin vor allem auf die großen Unternehmen.

Ganz generell gibt es zudem Defizite in der agilen und raschen Umsetzung von beschlossenen Maßnahmen: Defizite, die nicht allein mit Geld zu beheben sind, sondern Verwaltungsreformen und gesetzgeberische Maßnahmen erfordern.

Monika Schnitzer lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist Spezialistin für Innovationsökonomik und Wettbewerbspolitik. Sie gehört seit 2020 dem Sachverständigenrat der „Wirtschaftsweisen“ an. (Foto: privat)
Monika Schnitzer

Monika Schnitzer lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist Spezialistin für Innovationsökonomik und Wettbewerbspolitik. Sie gehört seit 2020 dem Sachverständigenrat der „Wirtschaftsweisen“ an. (Foto: privat)

Bildung und Wissenschaft sind grundsätzlich Ländersache. Durch zwei Grundgesetzänderungen 2006 und 2015 wurde die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in diesen Bereichen neu geregelt, um die finanzielle Unterstützung durch den Bund zu vereinfachen.

Verschiedene Hochschulpakte sollten den Hochschulen ermöglichen, die ansteigende Zahl von Studierenden zu bewältigen. Durch verschiedene Pakte für Forschung und Innovation wurden die Mittel für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen verbessert. Die Exzellenzinitiative sollte die deutsche Hochschullandschaft international wettbewerbsfähiger machen.

Insbesondere bei der Hochschulförderung zeigt sich aber, wie problematisch es ist, dass der Bund immer nur zeitlich befristet und auf konkrete Projekte bezogen Mittel bereitstellen kann. So wurden die Mittel der Exzellenzinitiative unter anderem dafür verwendet, deutlich mehr akademischen Nachwuchs auszubilden, ohne die Zahl unbefristeter Professuren zu erhöhen und damit langfristige akademische Beschäftigungsmöglichkeiten für diesen Nachwuchs zu schaffen.

Die Pandemie hat die Defizite im Bildungsbereich, der Ländersache ist, besonders deutlich gemacht. Die Pisa-Studien stellen Deutschland regelmäßig ein mittelmäßiges Zeugnis aus. Auch ist der Bildungserfolg in Deutschland stärker als in anderen Ländern vom sozialen Hintergrund abhängig, ein Befund, der sich in der Pandemie durch den fehlenden Präsenzunterricht weiter verstärkt hat. Bildung ist aber die Grundvoraussetzung für die Innovationskraft eines Landes. Insofern muss gefragt werden, wie der Bund auf eine Verbesserung hinwirken kann.

Rund zwei Drittel der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) in Deutschland werden von privaten Unternehmen aufgebracht. Problematisch ist allerdings die starke Branchenkonzentration der FuE-Aktivitäten. Ein Drittel der FuE-Ausgaben entfällt auf die Automobilbranche, weniger als zehn Prozent auf die IKT-Branche.

Auch dominieren zunehmend die großen Unternehmen, während die Innovationsintensität deutscher kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) geringer ist als in vielen anderen europäischen Staaten. Die 2020 eingeführte steuerliche Forschungszulage, die von der Expertenkommission Forschung und Innovation seit Jahren empfohlen wurde, könnte die Innovationsanreize der KMU stärken. Allerdings dürfte die in der Pandemie erfolgte Erhöhung der Bemessungsgrundlage vor allem größeren Unternehmen zugutekommen.

Große Hoffnungen wurden in die Einrichtung der Agentur für Sprunginnovationen (SprinD) gesetzt. Damit sollen, orientiert am Vorbild der US-amerikanischen DARPA, disruptive Innovationen gefördert werden. Die Umsetzung dieses Ziels ist aber mehr als schwierig und scheint an rigiden Verwaltungsstrukturen und Vorgaben des Bundesrechnungshofs zu scheitern. Unverständlich bleibt auch, warum, anders als in den USA, zwei getrennte Agenturen eingerichtet wurden, eine für zivile und eine für militärische Projekte.

Für die Förderung von Start-ups wurde in den letzten Jahren einiges erreicht, insbesondere wurde die staatliche Unterstützung der Finanzierung ausgebaut und Hemmnisse zum Beispiel bei Mitarbeiterbeteiligungen reduziert. Ausgründungen aus den Hochschulen bleiben trotz der Erfolge in der Wissenschaft und der Exist-Gründerstipendien aber unter ihrem Potenzial.

Digitale Infrastruktur wächst nur langsam

Als Angela Merkel ihr Amt als Bundeskanzlerin antrat, spielten Smartphones noch keine Rolle im Leben der Menschen. Erst zwei Jahre später begann mit Einführung des iPhones der Hype um bedienungsfreundliche Smartphones und Apps, die inzwischen aus dem Leben der Menschen nicht mehr wegzudenken sind.

So rasch die technologische Entwicklung digitaler Produkte vonstattenging, so langsam erfolgte der Aufbau der notwendigen digitalen Infrastruktur, die für eine flächendeckende Internetnutzung und viele digitale Anwendungen notwendig ist.

Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, des Gesundheitssystems und des Bildungswesens große Defizite aufweist. Die Mittel des 2019 beschlossenen Digitalpakts Schule, der die Digitalisierung in den Schulen unterstützen sollte, fließen nur zögerlich ab, weil vor Ort das notwendige Fachpersonal und die Mittel für die Umsetzung fehlen.

Auch Unternehmen liegen im Einsatz digitaler Schlüsseltechnologien eher im europäischen Mittelfeld, vor allem KMU sind zögerlich. Das 2020 beschlossene Konjunkturpaket der Bundesregierung und der Next Generation Fund der EU sollen den weiteren Ausbau der Digitalisierung unterstützen.

Viel zu wenig Beachtung finden bisher die Themen digitale Bildung und digitale Schlüsselkompetenzen im Kontext des gravierenden Fachkräftemangels. Eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung der notwendigen IT-Fachkräfte wäre der verstärkte Ausbau digitaler Bildung schon in der Schule.

Während gerade im Bereich Digitalisierung anfangs ein Erkenntnisproblem bestand, haben wir es jetzt vor allem mit vielfältigen Umsetzungsproblemen zu tun. In einer Welt mit so raschem technologischem Wandel und immer stärkerer internationaler Konkurrenz braucht es unbedingt agilere Politik- und Verwaltungsstrukturen. Eine Aufgabe, der sich die kommende Regierung nach der Ära Merkel so rasch wie möglich stellen muss.

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