Kasper König: „In der Regel ist eine Auktion fürchterlich“

Düsseldorf. Kasper König hat in seinem Leben bereits eine Menge markanter Spuren hinterlassen: als Kurator legendärer früher Ausstellungen von Andy Warhol und Claes Oldenburg, als Verleger, als Mitinitiator und Kurator der „Skulptur Projekte“ in Münster, als Inhaber diverser Lehrstühle, als Gründungsdirektor der Ausstellungshalle Portikus in Frankfurt, als Leiter der Städel Schule und des Museums Ludwig in Köln, um Beispiele zu nennen.
Nun begibt sich der Achtzigjährige an den „kapitalistischen Nabel schlechthin“. Die Formulierung fällt bereits zu Beginn des Gesprächs, das wir am Telefon anlässlich der gerade publik gewordenen Versteigerung seiner Privatsammlung mit Nachkriegs- und zeitgenössischer Kunst führen.
Schauplatz wird das Kölner Auktionshaus Van Ham sein, wo am Abend des 1. Oktober 60 Losnummern aufgerufen werden sollen. Am Tag darauf folgen 190 Lose. Außerdem gibt es zwischen dem 26. September und 10. Oktober eine „Online only“-Auktion mit circa 150 Positionen. Insgesamt stehen in dieser ersten Auktionsfolge über 400 Losnummern zur Verteilung an. 56 Werke hatte König bereits im letzten Herbst seiner alten Wirkungsstätte, dem Museum Ludwig, geschenkt.
Was unter den Hammer kommt, ist für Van-Ham-Chef Markus Eisenbeis „ein persönliches Spiegelbild“ für ein Leben mit der Kunst und Künstlern, von denen viele dem Ausstellungsmacher in Freundschaft verbunden sind. Vielleicht ist diese Verbundenheit mit ein Grund, warum im Laufe des Gesprächs mit König auch der Satz fällt: „In der Regel ist eine Auktion fürchterlich.“
Dabei ist Sentimentalität eigentlich das Letzte, das man Kasper König zutraut. Dafür ist er zu klug und ihm das Kaufmännische zu nah. Der eigene Vater war Unternehmer (Brillux), zwei seiner Söhne, Leo und Johann, sind Galeristen, der Bruder Walther Verleger und Buchhändler. Kasper König selbst sammelte seine ersten beruflichen Erfahrungen als Mitarbeiter renommierter Galerien: anfangs bei Rudolf Zwirner, danach in London bei Annely Juda und Robert Fraser. Beim Verkauf der Sammlung Kraushar 1967 an Karl Ströher spielte er den Bürgen.
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Berührungsängste dürften allenfalls einem kapitalismuskritischen Reflex geschuldet sein, eine Koketterie. Man denke nur an die sehr erfolgreichen Benefiz-Auktionen, die König zugunsten des Ankaufsetats „seines“ Museums Ludwig lancierte. Und selbstverständlich sah man ihn regelmäßig auf Rundgängen durch die Galerien und auf Messen, wo er auch selbst kaufte.
Zum Beispiel Sigmar Polkes „Meisterwerk als Ramsch versteigert“, erworben 2008 auf dem Stand von Erhard Klein auf der Art Cologne – sozusagen empört weggeschnappt einem einschlägig bekannten Privatsammler, der nichts Eiligeres zu tun hatte, als gleich mit der Frage nach einem Rabatt an den Galeristen heranzutreten.
Die Geschichte dieser Erwerbung lässt sich in der Sendung „Bildbetrachtung“ (2020) auf Deutschlandfunk Kultur nachhören und wird demnächst auch in dem ganz auf die Kasper-König-Sammlung konzentrierten Auktionskatalog nachzulesen sein. Autor ist Günther Herzog, ehemaliger Leiter des Zentralarchivs Deutsche und Internationale Kunstmarktforschung (Zadik), das Königs schriftlichen Vorlass aufgenommen hat.
Polkes ironisches „Meisterwerk“ liegt mit einem Schätzpreis von 30.000 bis 50.000 Euro genau im Bereich dessen, was König damals bezahlte. Ambitionierter angesetzt ist mit 500.000 bis 700.000 Euro Taxe On Kawaras Datumsbild „May 7, 1967“ im originalen Karton mit beiliegender „New York Times“. Dies sind allerdings die einzigen Taxen, die zum jetzigen Zeitpunkt kommuniziert werden können.
Erst vor vierzehn Tagen kamen die Werke ins Haus, darunter auch ein „Untitled“ mit königsblauen Pinselabdrücken von Niele Toroni; eine Reminiszenz an die Einzelschau, die König dem Künstler 1988 im Portikus in Frankfurt ausrichtete. „Es muss jetzt alles sehr schnell gehen“, sagt Eisenbeis. Er erwarte „einen interessanten siebenstelligen Betrag“ als Gesamterlös der Auktionsfolge.

Besondere Erwähnung verdient auch eine ungewöhnliche, filigrane Installation von Claes Oldenburg aus dem Schlafzimmer Königs. Er habe sich etwas wünschen dürfen, berichtet König, der mit 23 Jahren Oldenburgs erste Museumsausstellung in Stockholm kuratierte. Es ist eine dezente Hommage an Marilyn Monroe, genauer gesagt an drei Kleidungsstücke, mit denen sie in die Film- und Fotogeschichte einging: „Ghost Wardrobe (for M. M.)“, entstanden für Oldenburgs Einzelschau in der Sidney Janis Gallery in New York 1967.


Ein erheblicher Teil der Offerte wird von kleinerem Format sein. Das verraten die Fotos, die Van Ham von den dicht an dicht bis zur Decke gehängten Wänden der Berliner Wohnung aufnehmen ließ. Zu den Highlights zählt das Kölner Auktionshaus neben den erwähnten Arbeiten von On Kawara und Polke auch Werke von Richard Artschwager, seinem Nachbarn in Nova Scotia Thomas Bayrle, William Copley, mit dem er befreundet war, Hanne Darboven, den auf den „Skulptur Projekten“ ausstellenden Künstlerinnen Maria Eichhorn, Nicole Eisenman, Ayşe Erkmen und Maria Lassnig, der er 2009 im Museum Ludwig eine Einzelschau ausrichtete.
Die Auktion wird vermutlich ein Publikum mit breit gestreuten Interessen ansprechen. Denn Kasper König folgte bei seinen Kunstkäufen auch seiner persönlichen Entdeckerlust, berichtet Renate Goldmann, Direktorin des Van Ham Art Estate. Deshalb wird man im Herbst auch auf weniger geläufige Namen stoßen wie den originellen amerikanischen Objektkünstler H.C. Westermann oder auf den belgischen Maler Raoul de Keyser.
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